JA zur Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit, NEIN zur Verletzung der Würde des Menschen


Offizielle Pressmitteilung der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V. zur Tatortfolge „Wem Ehre Gebührt“

Die zentrale Aussage des Filmes war; nach einem Inzest-Fall in einer alevitischen Familie wird das Opfer schwanger, flüchtet zum strengen Islam und findet Schutz in der Verschleierung. Die ältere Schwester, die zur Aufklärung beitragen möchte, wird vom Vater ermordet. Diese Art der Darstellung betrachten wir als eine Diffamierung.

Wir protestieren gegen die Verleumdung und Verunglimpfung der Aleviten im öffentlich-rechtlichen Sender ARD!

Die Tatort-Sendung „Wem Ehre gebührt“, die am 23.12. 2007, um 20.15 Uhr in der ARD ausgestrahlt wurde, hat unserer Auffassung nach die Würde der alevitischen Glaubensgemeinschaft verletzt!

Die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V: (AABF) fordert eine Entschuldigung und Wiedergutmachung von der ARD!

JA zur Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit (Art. 5 GG), NEIN zur Verletzung der Würde des Menschen (Art. 1 GG)!


An die deutsche Öffentlichkeit,

 

hiermit protestieren wir aufs Schärfste gegen die Darstellung des alevitischen Glaubens in der am 23.12.2007 ausgestrahlten Tatort-Sendung.

Die zentrale Aussage des Filmes war; nach einem Inzest-Fall in einer alevitischen Familie wird das Opfer schwanger, flüchtet zum strengen Islam und findet Schutz in der Verschleierung. Die ältere Schwester, die zur Aufklärung beitragen möchte, wird vom Vater ermordet. Diese Art der Darstellung betrachten wir als eine Diffamierung.

Hierzu muss man wissen, dass Aleviten Jahrhunderte lang eben solchen unbegründeten Anschuldigungen Seitens der sunnitischen Muslime ausgesetzt waren, in denen behauptet wurde, die Aleviten würden in ihren Gemeinden (Cem-Häusern) Inzest betreiben, weil sie ihre religiösen Rituale gemeinsam mit Frauen und Kindern durchführen. Die Verunglimpfungen stammen aus osmanischer Zeit und wurden damals zum Zweck der Unterdrückung des Alevitentums verbreitet. Bis heute sind derartige Beschuldigungen und Vorurteile unter fanatischen Sunniten gegenwärtig. Die Existenz von ca. 20 Millionen Aleviten in der Türkei wird bis in die Gegenwart offiziell geleugnet. Staatliche Stellen ignorieren sie und bemühen sich, die Bevölkerung der Türkei als durchgängig sunnitisch darzustellen.

Wir legen großen Wert darauf, dass unser Protest diese historisch begründeten und sensiblen Erfahrungen zur Grundlage hat. Daher fragen wir: Ist den NDR-Verantwortlichen sowie der

Drehbuchautorin Angelina Macarrone denn gar nicht bewusst, dass derart volksverhetzende Anschuldigungen jahrhundertlang in der Türkei zu Pogromen an Aleviten, wie beispielsweise noch im Jahre 1978 in Maras mit hunderten von Todesopfern und im Jahre 1993 in Sivas mit 37 Todesopfern geführt haben? Ist den Verantwortlichen nicht bewusst, dass die alevitische Gemeinde seit Jahren um den Abbau von solchen abscheulichen Vorurteilen bemüht ist, den innerreligiösen Dialog unterstützt und zur besseren Verständigung zwischen Aleviten und Sunniten beitragen möchte? Dieser Beitrag hat unsere Aufklärungsarbeit um einiges zurückgeworfen.

Die Verknüpfung des Themas „Inzest“ ausgerechnet mit der alevitischen Glaubensgemeinschaft ist daher offenkundig nicht zufällig gewählt. Vieles spricht dafür, dass die Drehbuchautorin bei ihrer Recherche über den alevitischen Glauben von fanatisch sunnitischen Beratern instrumentalisiert worden ist.

Auch die subtile Botschaft des Films, dass der sunnitische Islam für das Inzest-Opfer als Rettungsanker dient, verstärkt hier den Verdacht der Instrumentalisierung.

Die abstruse Botschaft des Films ist doch letztlich, dass das Kopftuch, das sonst völlig zu Recht als Symbol für die Unterdrückung der Frau betrachtet wird, für das vom alevitischen Vater missbrauchte Inzest-Opfer eine Schutzfunktion haben soll.

Applaus! Bravo! Islamisten danken! Soviel volksverhetzende Propaganda vom deutschen Fernsehen ist für die sunnitischen Scharfmacher mehr als man zu träumen wagte.

In dem Kontext fällt auch auf, warum immer wieder betont wurde, dass es sich um eine alevitische Familie handelt. Was dies zur Dramaturgie des Films beigetragen haben soll, hat sich uns aus dem Kontext nicht erschließen können? (das wäre so, als würde immer wieder in einem ähnlichen Tatort betont, wir sind katholisch, dein Papa ist katholisch usw.). Jede andere neutral dargestellte türkische Familie, ohne expliziten Verweis auf religiöse Zugehörigkeit hätte zu dem Thema genauso gut gepasst. Aber die demonstrative Betonung des Alevitentums verdeutlicht, dass offenbar sunnitische Scharfmacher als Ratgeber für Frau Maccarone fungiert haben.

Es kann nicht angehen, dass mit von alevitischen Zuschauern bezahlten GEZ-Gebühren eine diffamierende und volksverhetzende Darstellung der Aleviten vorgenommen wird. In dem Film wird zwar nicht erklärt, was Aleviten eigentlich sind (außer dass sie Schweinefleisch essen würden), den Ressentiments der sunnitischen Türken wird hingegen ordentlich Vorschub geleistet.

Wir werden es nicht hinnehmen, dass die Aleviten verunglimpft werden. Eine ähnliche Handlung mit explizit sunnitischem oder gar jüdischem Hintergrund wäre völlig undenkbar.

Da hilft auch das Feigenblättchen in Form einer Anmerkung vor der Ausstrahlung des Films, wonach nicht beabsichtigt sei, Vorurteile gegen Aleviten zu untermauern, nichts.

Denn so könnte man jede Sendung mit diffamierendem Inhalt mit einer lapidaren Erklärung zur Ausstrahlung bringen.

Wir verlangen sofort eine offizielle Entschuldigung von der ARD und

eine geeignete Form der Gegendarstellung in der ARD!

Bis dahin werden wir uns mit allen friedlichen, demokratischen und rechtlichen Mitteln gegen diese Verleumdung und Verunglimpfung unserer Glaubensgemeinschaft zur Wehr setzen.

Hierzu ist als Auftakt eine zentrale Großdemonstration am 29.12.2007 um 13.00 in Köln geplant. Hierzu wollen jetzt schon alle Freunde und Freundinnen der Aleviten einladen teilzunehmen. Wir wünschen unseren christlichen Mitbürgern ein frohes Weihnachtsfest.

 

Alevitische Gemeinde Deutschland e.V.

14 Comments

  1. So wie ich gerade im Heute-Journal gehört habe, gibt es wohl schon lange Vorurteile gegenüber den Aleviten bezüglich Inzest.
    Grund: Männer und Frauen begehen ihre religiösen Rituale gemeinsam, ein Dorn im Auge der Moslems.
    Daß sich die Aleviten da wehren, auch weil sie sagen daß zumindest die vor allem türkischen Schauspieler das hätten wissen müssen ist verständlich.

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  2. Hallo Ed von Schleck,

    die Reaktion von Ed von Schleck war auch meine erste als ich von dem Protest der Aleviten erfuhr.

    Es scheint aber wirklich so zu sein, daß gegen die Aleviten
    auch heute noch Pogrome ausgeübt werden.
    Hauptargument für das Steinigen „Inzest“
    So dämlich wie die Autorin dieses Tatortes zu sein vor gibt,
    kann man gar nicht sein.
    Auch von Redakteuren und Produtenten wäre etwas mehr
    Recherchesorgfalt zu erwarten gewesen.
    Wieso findet die überlebende Tochter bei einem Suniten
    Unterschlupf und verwandelt sich in einen schwarzen Pinguin.
    Es gibt doch genügend z.B. deutsche, antideistische
    Schwiegersöhne, die ebenfalls den Ritter hätten abgeben
    können.
    Allzu perfekt werden hier offensichtlich sunitische Klischees
    bedient.

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  3. Für mich als jemanden, der dem Alevitentum mit völligem Desinteresse begegnet stellt sich das ganze so dar:
    Eine Moslemsekte ist im deutschen Fernsehen nicht so positiv weggekommen, wie sie das gerne hätte. Ergo ist man beleidigt, fühlt sich in seiner Ehre verletzt und fordert Wiedergutmachung, unter anderem dadurch, dass Sonntagabend in der ARD statt „tatort“ eine Alevitendoku läuft.
    Solche Leute, die so einen Quatsch gutheißen rennen wahrscheinlich auch auf die Straße, wenn Scientology mal wieder schlecht wegkommt und forndern statt Tagesschau einen SO-Werbefilm. Also bei so einem unfug hört sich doch alles auf.

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  4. Sensibilität im Umgang mit solchen, die unsere Verfassung ernst nehmen und in ihrer Glaubensausübung und/oder ihrem Protest gegen als diffamierend empundene Filme einfach ihre durch das Grundgesetz garantierten Rechte in friedlicher Weise in Anspruch nehmen, ist meines Erachtens nie verkehrt.

    Zitat:
    „Hierzu ist als Auftakt eine zentrale Großdemonstration am 29.12.2007 um 13.00 in Köln geplant. Hierzu wollen jetzt schon alle Freunde und Freundinnen der Aleviten einladen teilzunehmen. “

    Gab es zu dieser Demonstration irgendeine Berichterstattung in der ARD?

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  5. Und Lion Feuchtwangers Jud Süß ist antisemitisch, weil da ein Jude Macht und Geld will?

    Ist gar Lion Feuchtwanger am Holocaust schuld?

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  6. Wo gibts moderate Muslime? Hab ich was verpasst?
    Ich sehe auch keine bedrohte Minderheit in Deutschland.
    Also nehmen wir das nächste mal die Sorben, die einzige anerkannte nationale Minderheit in Deutschland.
    Oder Bayern, Franken, Saarländer, Friesen, Sachsen usw. Ein jeder fühlt sich dann in seiner Ehre verletzt, und den religiösen Hintergrund bekommen wir auch noch hin. Bei den SAchsen ist das ganz leicht und Bayern erst. 🙂

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  7. „ein Zusammenhang der Taten mit der Religion war klar nicht vorhanden.“

    In diesem Fall war es einfach daneben von der Drehbuchautorin, ausgerechnet die Aleviten hier als Fallstudie zu gebrauchen, wo diese doch mit genau solchen Anschuldigungen von Sunniten konfrontiert wurden und werden. Wenn man jeden hätte nehmen können, warum dann nicht jeden nehmen und auf die Aleviten Rücksicht nehmen? Ist doch gut, dass es überhaupt mal moderate Muslime gibt, da muss man doch nicht ausgerechnet die vor den Kopf stoßen.

    Die Aufregung ist sehr wohl zu verstehen und eine bedrohte Minderheit darf sich ruhig auch mal aufregen. Sie fordern ja nicht das Verbot der Sendung oder verbrennen die NDR-Studios, wie es ihre radikalislamischen Kollegen getan hätten. Sie beschweren sich ja nur und das ist völlig ok.

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  8. Dann ist diese ganze Aufregung nicht zu verstehen.
    @offray, so wie ich das verstehe geht es nicht um die Philosophie des Alevitentums, sondern um religiöse Bezüge, das ist dann letztlich genauso, wie der Kopf des Propheten auf einem Hundekörper oder die Darstellung des nackten Benny in einem Museum in Italien.

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  9. Das ist genau das gleiche wie mit den Karikaturen, irgendwer fühlt sich immer beleidigt.

    Im Tatort war es ganz eindeutig als Einzelfall und nicht auf irgendeine Gruppe bezogen dargestellt. Keiner der anderen alevitischen Protagnositen im Tatort hat den Mörder und Vergewaltiger verteidigt, ein Zusammenhang der Taten mit der Religion war klar nicht vorhanden.

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  10. Kann mich der Kritik nur anschließen. Hier ist mit einer Religion sehr unsensibel umgegangen worden, wie es mit anderen Religionen nie geschehen würde.
    Es ist generell sehr beschämend, daß gerade ein öffentlich-rechtlicher Sender so offen mit völlig absurden Vorurteilen spielt.

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  11. Das sehr dumme an diesem Tatort sehe ich in dem Fakt, dass auf eine alevitische Familie hingewiesen wird. Genauso gut könnte man über katholischen, evangelikalen und über jedewede religiöse Form von Inzest diskutieren. Inzest ist rechtlich genau definiert, religiöse Einlassungen enthält der Tatbestand des Inzest nicht. Religion dort als künstlerisches Mittel einzubringen geschmacklos. Andererseits müssen extreme Handlungsweisen von Menschen auch darstellbar sein.
    Das der Vater seine ältere Tochter umbringt, aus Tradition, die religiös zu begründen ist, ist Ausdruck von Inhumanität.
    Kann man dem Tatort entnehmen, dass alle Aleviten inzestuös sind, stimmt das? oder ist das alles nur ein blödes Klischee? Letzteres dürfte wohl zutreffend sein. Was würde denn passieren wenn der Film von einem „katholischen Inzest “ handelt und das Opfer von einer muslimischen Gemeinde gerettet werden würde. Alle würden wegen Langeweile gähnen und kein Katholik würde protestieren.

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  12. Die Kritik der Aleviten an der Tatortsenung ist sehr berechtigt
    und findet meine Unterstützung und Respekt wegen der
    sachlichen und einleuchtenden Form, in der sie vorgetragen wird .

    Nicht so sicher wie offray bin ich mir hinsichtlich des „humanistischen“ Characters dieser Religion.
    Eine ihrer Zentralfiguren ist immerhin Mohamed.

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  13. Von Wikipedia:
    „Die Philosophie des Alevitentums kann in gewisser Weise dem Pantheismus zugeordnet werden, denn sie glauben, dass jedem Menschen die Wahrheit („das Göttliche“) innewohne.

    Der heutige Glaube der Aleviten ist stark vom Humanismus und Universalismus bestimmt. Im Zentrum ihres Glaubens steht daher der Mensch als eigenverantwortliches Wesen. Wichtig ist ihnen das Verhältnis zum Mitmenschen. Die Frage nach dem Tod und den Jenseitsvorstellungen ist demgegenüber für sie nebensächlich.“

    Was also den Tatort und das NDR betrifft: Allmählich wandelt sich der Kulturrelativismus zur offenen Zustimmung zu radikalislamischen Ideologien, nur um der der Mehrheit der Muslime nicht auf die Füße zu treten. Toll gemacht.

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