Gott behüte


Bad Religion – der Standard.at
Ein Auszug aus Robert Misiks neuem Buch „Gott behüte! Warum wir die Religion aus der Politik raushalten müssen“

Der Glaube sei wichtig, heißt es immer häufiger – als moralischer Kompass, damit sich nicht Werterelativismus breit mache. Sehr überzeugend ist das nicht: Frömmler sind oft hartherzige Knochen. Mehr noch: Wenn Religion im Spiel ist, sind auch gute Menschen bereit, Böses zu tun. Ein Auszug aus dem neuen Buch „Gott behüte! Warum wir die Religion aus der Politik raushalten müssen!“ von Robert Misik.

Der Kinderbuchautor und Dichter Erich Kästner war ein Mann von der Art, die man heutzutage „politisch sehr korrekt“ nennen würde, ein „Gutmensch“ avant la lettre gewissermaßen. 1930, bestimmt gegen Weihnachten herum, verfasste er ein Gedicht mit dem Titel: „Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag“

 

„Zweitausend Jahre sind es fast,
seit du die Welt verlassen hast,
du Opferlamm des Lebens!
Du gabst den Armen ihren Gott.
Du littest durch der Reichen Spott.
Du tatest es vergebens!

(…)

Die Menschen wurden nicht gescheit.
Am wenigsten die Christenheit,
trotz allem Händefalten.
Du hattest sie vergeblich lieb.
Du starbst umsonst. Und alles blieb
beim alten.

Was Kästner sagen will, ist ganz offensichtlich: Jesus Christus war ein Revolutionär, der für Brüderlichkeit und Gleichheit unter den Menschen eingetreten ist und dessen Vermächtnis nie eingelöst wurde. Subtext: Eigentlich stecke in den Religionen das Potential, die Welt besser zu machen. Die Religionen mit ihrem hohen moralischen Anspruch sind Ressourcen, auf die moralische Menschen zurückgreifen können, wenn sie die Welt besser machen wollen. Ganz falsch ist das bestimmt nicht, wie man bis in unsere Tage sieht: Wenn immer es darum geht, Unrecht anzuprangern, Fremdenfeindlichkeit zu verurteilen, aber auch ganz konkret denen zu helfen, die „mühselig und beladen“ (Matthäus 11,28) sind, dann ist auf Organisationen wie etwa die katholische Caritas Verlass. Auch die jüdische Thora und die Bücher der Propheten, vom Christentum als „Altes Testament“ zugleich eingemeindet und historisiert, sind eine reiche Quelle moralischer Unterweisung. Gutes nicht mit Bösem vergelten!, Sei deines Bruders Hüter!, das sind Postulate, die sich tief in das kollektive Gedächtnis und die Moral der Menschheit eingegraben haben. Mutatis mutandis gilt Vergleichbares auch für die muslimische Religion. Soziale Gerechtigkeit, wie wir heute sagen würden, ist ihr ein hoher Wert, und der Koran ist voll von Versen, die die Gläubigen verpflichten, von ihrem Reichtum abzugeben, damit auch jene etwas abbekommen, die es bitterer nötig haben. „Und was ihr spendet an Gutem, siehe, Allah weiß es.“ (Sure 2,273)

Die religiösen Schriften sind gewiss so etwas wie das Inhaltsverzeichnis der Vorstellungen, was ein moralisch gutes Leben ausmacht. Aber sie sind, weil sie ein Sammelsurium aller möglichen unvereinbaren Werte sind, mehr als das. Sie lehren das Eiferertum, und die Bibel wie der Koran strotzen vor Passagen, die das Hinschlachten der Ungläubigen, der Fremden, die Bestrafung der weniger Glaubensstrengen legitimieren. Weder Moses noch Mohammed sind Role-Models für moralisches Verhalten. Dem Zentralgebot „Du sollst nicht töten“ (5. Mose 5,17) folgen Mordaufrufe auf den Fuß – insgesamt sieben Völker, die zum großen Teil in Palästina wohnen, werden von Jahwe der Verdammnis preisgegeben, sie sollen ausgetilgt werden, damit sein „auserwähltes Volk“ seine Heimstatt beziehen kann. Und auch der Jesus der angeblich so friedliebenden Evangelien proklamiert so zwischendurch, „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert“ (Matthäus 10,34).

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4 Comments

  1. Sehr guter Artikel.
    Meine Meinung
    „Religionen sind Fertighäuser für arme Seelen“

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  2. Der Artikel im Standard macht ja nicht einmal den Versuch Augustin auch nur einigermaßen gerecht zu werden. Blanke Polemik, an sich keine Zeile wert. Die Erbsündelehre wird auch völlig verdreht. Hier wird mal wieder gegen eine Kirche/Religion zu Felde gezogen, die es so gar nicht gibt.

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  3. Dass man nicht alles, was Augustinus zu diesem Thema geschrieben hat, verteidigen kann, bestreitet niemand. Aber weitgehend hatte er Recht und hat er immer noch Recht, da sich die Natur des Menschen nicht ändert, ebenso wenig die sich aus ihr ergebenden Wahrheiten des Sittengesetzes.

    Ein guter Aufsatz, der Augustins Schwächen nicht verschweigt, findet sich hier:
    http://www.cormacburke.or.ke/St_Augustine_and_Conjugal_Sexuality

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  4. Unbedingt den ganzen Arzikel lesen!

    Besonders die Aussagen über den vom Ödipus-Komplex pathologisierten, verhaltensauffälligen Augustinus, der Frau und Kind jämmerlich im Stich ließ, um seiner Mutter, der „heiligen“ Monika, zu Gefallen zu sein, sind äußerst zutreffend.

    Welch erbärmliches Erbe an Sexualmoral und körperfeindlicher Menschenverachtung schleppt die Christenheit da mit sich herum und rühmt sich dessen auch noch, als hätten sie in den letzten Jahrhunderten der kulturellen Entwicklungen und Errungenschaften der aufgeklärten Menschheit rein gar nichts dazu gelernt!

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