Schopenhauer und die Tierethik


„Mitleid mit den Tieren hängt mit der Güte des Charakters so genau zusammen, daß man zuversichtlich behaupten darf, wer gegen Tiere grausam ist, könne kein guter Mensch sein.“ (Grundlage der Moral, §19)

Schopenhauer hatte Pionierrolle in der Tierethik
Prof. Dieter Birnbacher referiert am 10. Juni im Goethe-Haus

Prof. Dr. Dieter Birnbacher beleuchtet am Dienstag, 10. Juni, 2008, um 19.00 Uhr im Goethe-Haus das Thema „Schopenhauer und die Tierethik“.

Als einer der nachhaltig wichtigsten Denker des Tierschutzes hat Albert Schweitzer rückblickend Schopenhauer eine Pionierrolle in der Tierethik zugeschrieben: „Als erster europäischer Denker … nimmt Arthur Schopenhauer die Idee der Verbundenheit des Menschen mit der Kreatur wirklich in die Weltanschauung auf.“

Hat Schopenhauer diesen Ehrenplatz in der Reihe der Tierethiker wirklich verdient? Prof. Birnbacher aus Düsseldorf vertritt in seinem Vortrag die These, dass Schopenhauer diese Ehre in der Tat zukommt. Mit Schopenhauer werden zum ersten Mal in der westlichen Philosophie die Tiere ausdrücklich in eine umfassende Moraltheorie einbezogen. Dass dem menschlichen Umgang mit Tieren moralische Grenzen gesetzt sind, folgt für Schopenhauer dabei aus zwei mehr oder weniger offenkundigen Voraussetzungen: dass wir verpflichtet sind, niemandem Leiden zuzufügen oder ihn seinem Leiden zu überlassen, sofern Abhilfe möglich und zumutbar ist; und dass sich leidensfähige Tiere in ihren moralisch relevanten Merkmalen von Menschen nur unwesentlich unterscheiden. Gleichzeitig hat Schopenhauer die gegenüber Tieren bestehenden Pflichten aber auch begrenzt: Weder die Tötung von Tieren noch belastende Tierversuche zum menschlichen Nutzen wollte er gänzlich ausschließen.

Zu diskutieren ist, ob diese moderate Position, die ihm in der Tierethik der Gegenwart viel Kritik eingetragen hat, haltbar ist. Hätte sich Schopenhauer – wie Albert Schweitzer – konsequenterweise zum Vegetarismus bekennen müssen?

Dieter Birnbacher ist seit 1996 Professor für Philosophie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Erster Vizepräsident der Schopenhauer-Gesellschaft e.V., Frankfurt am Main.

Freies Deutsches Hochstift – Frankfurter Goethe-Museum, 60311 Frankfurt am Main, Großer Hirschgraben 23 – 25; Tel: (069)138800; Fax: (069)13880222; eMail: info@goethehaus-frankfurt.de
Weitere Informationen finden Sie unter: www.goethehaus-frankfurt.de

19 Comments

  1. Einige davon bleiben leider nicht innerhalb des eigenen Herzens. Solche, bei denen Leute wie besonders Luther mithalfen sie heraufzubeschwören, raubten verdammt vielen unschuldigen Menschen auf kurz und lang schließlich das Leben.

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  2. …wie alle Ungeheuer, die uns allen im Laufe unseres Lebens im Herzen hinaufkrochen – und sei es auch nur im Traume.

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  3. @Eule
    Ein Glück, dass das ein Luther-Satz über seinen Hund und nicht über Juden war. Der hätte nämlich ganz andre Assoziationen ausgelöst…

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  4. @Misc
    Heidewitzka – was ein Luther-Satz so alles für Assoziationen generiert ;-)…

    @Jan
    Bitte keine Anthropomorphismen ;)…

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  5. > Die geschändete Natur “seufzt” unter der Gewaltherrschaft unserer
    > Zivilisation in der Tat auf das Furchtbarste…

    Der Natur und 99.9% aller Lebewesen ist unsere Zivilisation vollkommen egal.

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  6. Arg.. zu fast jeden Absatz noch eine Anmerkung:
    * sollte heißen: „ganz ähnlich wie es die diesseitsmüden Autoren von Röm gleich für die ganze “Schöpfung” getan haben“
    * „und andre Tiere die Konzepte des “Betens”, “Gott”, “Übernatürliches” begreifen, bewusst anwenden und so tatsächlich nicht nur scheinbar als „betend“ etc. bezeichnet werden können, ohne dass die Begriffe damit ins Lächerliche aufgeweicht werden.“
    * besser „nicht verschont beleiben oder bereits geblieben sind“

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  7. @Eule
    Keine Sorge, bei Beten (ein „t“…) kommt kein Neid auf. Auf das Huldigen imaginärer Diktatoren von zweifelhafter Gutmütigkeit kann ich verzichten.

    Im Übrigen: Wie es folgsam schon ähnlich bemerkt hat, solche Anthropomorphismen sind nur bedingt vernünftig. Im Falle des Hundezitats Luthers mag letzterer meinetwegen dadurch entlastet sein, dass er es einfach dahin gesagt hat, nachdem er sich selbst unbegründet lediglich „in den Hund“ hineinprojiziert hatte; ganz ähnlich die diesseitsmüden Autoren von Röm gleich für die ganze „Schöpfung“ getan haben.

    Zumal es arg unwahrscheinlich ist, dass Hunde, die soweit ich weiß „bestenfalls“ grob in einigen Gebieten an die Intelligenz eines vierjährigen Kindes herankommen, und andre Tiere von den Konzepten des „Betens“, „Gott“, „Übernatürliches“ eine Ahnung haben.

    Will aber nicht behaupten, dass dies allein menschliche Kurzschlüsse sind. So zeigen die Vierbeiner bekanntermaßen eine Unterwürfigkeit gegenüber Hierarchien – ähnlich v. a. die frühen Menschen, die u. a. darüber des öfteren sowohl in Personenkulte als auch der abstrakteren Form des Übernatürlichen hineingegleitet sind. Ist also imo möglich, dass die Tiere von einem ähnlichen Schicksal leider nicht verschont beleiben..

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  8. Zum ersten Satz: Vgl. z. B. „Die Erde stöhnte“ und andere metaphorische Sätze.

    Zum zweiten Satz: Ich bin kein Kurzzeitkreationist – ergo: Nach meiner Ansicht in die Welt des „gegenwärtigen (!) Äons“.

    Zum dritten Satz: Die geschändete Natur „seufzt“ unter der Gewaltherrschaft unserer Zivilisation in der Tat auf das Furchtbarste…

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  9. Wie seufzt ein E. coli Bakterium im übertragenen Sinn, oder gar im strengen?

    Hat wohl was mit der Ursünde zu tun: schließlich kam erst damit der Tod in die Welt. All die frohen und gottesfürchtigen
    Kokken, Phagen, Nesseltiere und Flöhe lernten erst mit dem großen Fehler Adam & Evas das seufzen! Eine schöne Geschichte, und so phantasievoll.

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  10. Naja. Wenn tiefstes Betten Hundeintelligenz als Maximum bedingt, erklärt das so einiges.

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  11. „Kompliziert, kompliziert, diese Theologie!“ – Stichwort: Gesamte Schöpfung. Und: Seufzen in sensu stricto sowie im übertragenen Sinne. In diesem Sinne…

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  12. Anthropomorphismen sind was tolles, nicht?

    Vielleicht auch nicht so weit hergeholt, schließlich sind wir Entwicklungsgeschichtlich, den gesamten Stammbaum des Lebens betrachtet, mit den Hunden äusserst eng verwandt. Gewisse Bewusstseinsphänomene werden sich ähneln und vergleichbar sein.

    Doch ob auch Geißelskorpione oder Tintenfische seufzen können?

    ich zitiere:
    “ Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung zusammen fortgesetzt seufzt zusammen in Schmerzen liegt bis jetzt. “ Röm, 8, 22

    Und was ist mir Orchideen, oder Schwämmen?

    Kompliziert, kompliziert, diese Theologie!

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  13. Hallo Ari – jeder Seufzer ist bereits ein Gebet ;). Ansonsten lese zu Deinen Fragen doch einmal den genannten Text im Römerbrief…

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  14. Hunde beten? Aber was haben die davon? Ihr Seelenheil und Himmel sind ja in der Bibel nicht erwähnt?

    Oder gibt es eine, in Hundesprache 🙂 hundlich weitergegebene Hundebibel? Haben sie auch einen Messias?

    Fragen über Fragen….

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  15. Hi, nickpol – selbst wenn er sich vor besagter Aussage mächtig einen auf die Lampe gegossen hätte, dürfte dies ihn umso offener gemacht haben ;). Jedenfalls haben die beiden recht zwanglos miteinander kommuniziert – und sich eben viele Dinge erzählt. Letzteres findet man – leider – nicht gerade wie Sand am Meer.

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  16. Da war der alte Luther bestimmt besoffen und ich kann mir nicht vorstellen, dass er so mit seiner Frau geredet hat. 🙂

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  17. Ich war Anfang 20, als ich Arthur Schopenhauers Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ las. Damals war ich noch kein Christ, doch auch und gerade als solcher sehe ich in der Tierethik dieses Genies wichtige Impulse zu einem tieferen Verständnis von einem so grundlegenden Text wie Röm 8, 19-22. Nachdem er einmal seinen Hund intensiv beobachtete, bemerkte Martin Luther seiner Frau gegenüber: „Ich wünschte, ich könnte so beten wie er“…

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