Evangelikale Mega-Church in Deutschland


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Es gilt ausschließlich: Das geschriebene Wort! Foto: dpa

Um Scotts willen!

Sie kämpfen gegen Emanzipation und Evolutionslehre, Pornografie, Homosexualität und den Islam: Evangelikale Christen sind auf einem Kreuzzug gegen den Zeitgeist in Deutschland.

VON WOLF SCHMIDT taz

Pastor Wenz geht auf der Bühne hin und her. Ein hagerer Mann, der das Haar streng zur Seite gescheitelt trägt. Später wird er seiner Stuttgarter Gemeinde jovial zurufen: „Komm, wir geben Jesus mal einen richtigen Applaus!“ Und seine Gemeinde wird johlen, tosen, klatschen. Nun aber ballt Wenz die Hand zur Faust. „Es gibt Feinde“, ruft er. „Es gibt Menschen, aber auch böse Mächte, die das nicht wollen, was Gott will!“ Schweißflecken zeichnen sich unter seinen Achseln ab. „Wir sind das Volk Gottes, wir sind eine heilige Nation“, brüllt er schließlich. „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?“

Peter Wenz ist Leiter der Biblischen Glaubensgemeinde im Stuttgarter Stadtteil Feuerbach. Bis zu 4.000 Menschen kommen jedes Wochenende in die Gottesdienste. Im Jahr macht das knapp 200.000 Besucher – und das Gotteshaus zur wohl ersten evangelikalen Megachurch in Deutschland.

In den USA wird am Ende der Ära Bush ein Viertel der Bevölkerung den Evangelikalen zugerechnet, das wären mehr als 70 Millionen ultrakonservative Protestanten, die auf einer wörtlichen Auslegung der Bibel bestehen. Selbst der neue Präsident Barack Obama kommt offenbar nicht an ihnen vorbei: Bei seiner Amtseinsetzung am 20. Januar wird der evangelikale Pastor Rick Warren – ein erbitterter Gegner von Homoehe und Abtreibung – um Gottes Beistand bitten. In Deutschland dagegen haben sich die evangelikalen Christen lange abgeschottet und öffentlich wenig eingemischt – ganz im Sinne von Luthers Zwei-Reiche-Lehre, die politische Zurückhaltung nahe legt. Sie kuschelten sich in ihren frommen Ghettos ein, kritisierten selbst die Vertreter der Evangelikalen die eigenen Schäfchen immer wieder. Inzwischen ist aber von politischer Zurückhaltung nichts mehr zu spüren. Wenn von diesem Sonntag an rund 350.000 deutsche Evangelikale an ihrer jährlichen Gebetswoche teilnehmen, beten sie auch „für Christen in Schlüsselpositionen von Politik, Kultur, Medien und Wirtschaft“; „für unsere Regierung im Land bei der Beurteilung des Islam“; und dafür, „dass unser Land und die Gesellschaft wieder mehr von christlichen Werten und der christlichen Botschaft geprägt werden“.

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9 Comments

  1. “Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?”

    Ich auch!! 😉 Armes Deutschland…

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  2. Ich hab in Rußland und seinen abgefallenen Provinzen (altchristlich) gesehen, wie weit der Rückschlag geht.
    ICh dachte ich seh nicht recht, als eine promovierte Chemikerin (stammte von dort) anfing, den ganzen Zauber mit den Bekreuzigungen und Schrittchen-Choreographien durchzudeklinieren.
    Bis dahin hatte ich sie für eine aufgeklärte und intelligente Frau gehalten.
    Und dabei waren wir nur zu einer Exkursion, also Besichtigung, in so einer Einrichtung… tsss…tsss…

    ziehen wir uns warm an. (ich strick schon mal Socken für meine kalten Füße)

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  3. Die zunehmenden Predigersendungen im Fernsehen sind ein untrügerisches Zeichen für die Zielsetzung dieser Strömung: Mehr Anhänger, mehr Einfluss, mehr Geld. Das ist bedenklich und ich sehe keine Aktivitäten, die das eindämmen könnten. Andererseits: Auch Sendungen wie das Dschungelcamp, Big Brother und das Glücksrad (um nur die mir geläufigen Titel aus der Zillion von Schundsendungen zu nennen) dürfen in unserem Land das Volk verdummen — warum also nicht auch die Intelligenz beleidigende Bibel-Shows und angebliche Wunderheiler?

    Die Obrigkeit hält sich bei Kirchen verdächtig zurück. Der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht (AZ: 2 BvR 717/08), bei dem die Richter es ablehnten, eine Personalentscheidung der evangelischen Kirche auf ihre Konformität mit dem Grundgesetz zu überprüfen, zeigt beispielhaft den Einfluss der Kirchen — und die Beeinflussbarkeit der Gerichte.

    Es liegt etwas im Argen in unserem Land, solange Gerichte in Deutschland die „religiöse Legitimation kirchenrechtlicher Normen“ über das Grundgesetz stellen oder Mitarbeiter der katholischen Kirche ihren Job verlieren können, weil sie eine zweite Ehe eingehen.

    Nun, der hier verlinkte Fall war eine Kammerentscheidung des 2. Senates des Verfassungsgerichts. Richter waren die Herren Broß, Di Fabio und Landau — alle drei von der CDU/CSU nominiert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

    -Frank

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  4. Typisch für die Vertreter der „Religion der Liebe“: sie sind aggressiver und böser, als alle „Ungläubigen“ zusammen!

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  5. Wie kommt Wenz auf die Schnapsidee zu behaupten: „Wir sind das Volk Gottes“ ? Womöglich noch das Auserwählte ?Von der unzulässigen Verallgemeinerung mal abgesehen, ob er vielleicht ein undercover Rabbi ist ? 😉 Und seit wann sind wir wieder mal eine „heilige Nation“? Na ja, ich denke wohl eher eine Nation mit immer mehr Scheinheiligen. Recht hat er mit seinen Feststellungen : „Es gibt Feinde“. Ja, und zudem sind auch tatsächlich „viele (allerdings nicht böse, sondern denkende Menschen) wider euch“. Und noch etwas: „Für euch“ wird Gott, auf Grund seiner höchstwahrscheinlichen Nichtexistenz, wohl leider auch nicht sein können. Da hilft auch Brüllen nicht.

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  6. Es ist ja nicht nur so, dass den Kirchen lediglich ein gewisses Monopol auf soziale Einrichtungen überlassen wird, sondern dies wird offenbar sogar bewußt gesteuert. Dies zeigt sich z.B. derzeit in den CDU-geführten Landkreisen Niedersachsens, die seit HartzIV als optierende Kommunen tätig sind. Dort werden z.B. HartzIV-Opfer sogar oftmals gezwungen Schuldnerberatungen und andere Einrichtungen aufzusuchen, welche sich in den Händen der Diakonie, also einer Organisation der protestantischen Kirchen, befinden. Und sie werden dann auch gezwungen Ein-Euro-Jobs bei kirchlichen Einrichtungen abzulegen.
    Gerade in protestantisch geprägten CDU-geführten Landkreisen hat offenbar ständig die Diakonie ihre Finger mit im Spiel, sind irgendwo darin verwickelt. Und die Diakonie ist eine der schlimmsten Abzockerorganisationen.
    Wenn es um deren eigenes finanzielle Interesse geht, dann wird sogar in derem Interesse seitens der Gerichte Willkür und Rechtsbeugung praktiziert. Und die meisten Rechtsanwälte sind in solchen Landkreisen offenbar selbst mit Kirche und Diakonie verfilzt und korrupt. Sind entweder überhaupt nicht erst bereit sich im Interesse ihrer Mandanten mit Kirche und Diakonie anzulegen, oder sie begehen dann hinter dem Rücken ihrer Mandanten Parteiverrat. Es ist in manchen Gegenden so gut wie unmöglich gegenüber der Hallelujah-Mafia sein Recht durchzusetzen!
    Und offenbar fahren ja auch immer mehr Politiker auf evangelikalem Kurs. Wenn man bedenkt, welchen Blödsinn manche inzwischen gefordert haben, z.B. Schöpfungslehre anstatt Evolutionstheorie an den Schulen, Kruzifixe in allen öffentlichen Gebäuden, Verschärfung des „Gotteslästerungsparagrafen“, etc.! Offenbar will man auch in Deutschland amerikanische Verhältnisse einführen!

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  7. Jetzt hat Deutschland auch eine „Mega-Church“ (dt. Mega-Zuchthaus“), wenn das so weiter geht, haben wir bald amerikanische Verhältnisse.
    Gott erlöse uns von deinen Anhängern!

    @Sceric

    ICH AUCH!

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  8. Meine größte Sorge ist ja, dass sich in dem eher religionskritisch indifferenten Klima Deutschlands solche realitätsverneinenden Einstellungen langsam zuspitzen und verbreiten könnten, ohne dass öffentlich kritische Grenzen gesetzt werden.

    Ein großer Vorteil für solche radikaleren Gemeinden ist ihr Schafspelz der sozialen Hilfsleistungen, die im Grundsatz natürlich wünschenswert sind, aber in diesem Rahmen zwangsweise mit einer menschenfeindlichen Irrmeinung einhergehen. Unter dem Schleiermantel der sozialen Hilfsleistungen kann sie sich so vor öffentlicher Kritik verstecken. Es ist schade, dass den Kirchen ein gewisses Monopol auf soziale Einrichtungen überlassen wird.

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