Wie Materie lebendig wird


Kehrt mit der Emergenz die Dialektik in die Wissenschaft zurück?

Autor des Werkes »Dialektik der Natur«
Autor des Werkes »Dialektik der Natur«
(ND) Von Martin Koch

In der DDR war das Verhältnis von Philosophie und Naturwissenschaft zumindest in einem Punkt bis zuletzt gespannt: Während man von Seiten der Philosophie nicht müde wurde zu betonen, dass die bewusste Anwendung der Dialektik einen Erkenntnisvorteil bringe, bemühten sich Physiker, Chemiker und Biologen oft vergeblich, dies auf ihrem Gebiet faktisch zu belegen. Und manchen plagte vielleicht sogar das ungute Gefühl, dass er in seine Arbeiten etwas hineininterpretiert hatte, was darin per se gar nicht enthalten war. Zumal »bürgerliche« Wissenschaftler auch ohne Bekenntnis zur Naturdialektik sehr erfolgreich arbeiteten und fast alle Nobelpreise abräumten. Damit wird zum Teil erklärlich, warum es den abwickelnden West-Philosophen nach der Wende so leicht fiel, die von Friedrich Engels begründete Naturdialektik mit anderen »Altlasten« des Marxismus in die Schmuddelecke der Geistesgeschichte zu stellen.

Um zu begreifen, dass sie dort nicht hingehört, genügt es, sich die Diskussionen zum diesjährigen Darwin-Jubiläum vor Augen zu führen. Zwar gehen nur wenige Autoren soweit, die Evolutionstheorie zu bestreiten. Dass diese allerdings gehörige Schwächen und für zahlreiche Eigenschaften des Lebens keine Erklärung habe, versichern uns derzeit nicht nur die hinlänglich bekannten Kreationisten. Auch der studierte Philosoph und Theologe Christian Kummer kommt in seinem Buch »Der Fall Darwin« zu dem Schluss, dass sich die beeindruckende Zweckmäßigkeit des Lebendigen wohl kaum rekonstruieren ließe, würde man die Teleologie vollständig aus der Biologe verbannen. Als Kronzeugen zitiert er den bekannten britischen Evolutionsforscher John B. S. Haldane, von dem der Satz stammt: »Die Teleologie ist für den Biologen wie eine Mätresse: er kann nicht ohne sie leben, aber er will mit ihr auch nicht in der Öffentlichkeit gesehen werden.«

Nun ist es in der Tat kein Leichtes, bei der Erklärung der Entstehung und Entwicklung des Lebens den materialistischen Standpunkt durchzuhalten – und anzuerkennen, dass nichts in der Natur geschieht, wofür man eine außernatürliche Erklärung bräuchte. Zwar wies bereits Darwin mit Nachdruck darauf hin, dass in der Evolution kein Platz sei für irgendwelche Zwecke oder Ziele. Allein die Alltagssprache verführt uns häufig dazu, das Gegenteil anzunehmen. Etwa wenn es heißt: Vögel haben Flügel, um fliegen zu können. Nach Darwin müsste man streng genommen sagen: Bei den Vögeln veränderten sich die Vordergliedmaßen so, dass sie fliegen konnten. Oder allgemeiner formuliert: Die natürliche Evolution erfolgt nie auf ein vorgegebenes Ziel hin, sondern stets aus gegebenen Bedingungen heraus.

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1 Comments

  1. ja, diese dämlichen Formulierungen haben mich schon immer genervt, zB „die Natur schuf das Auge und die Hand“, nur mal als Beispiel…
    War mir schon immer zu nahe an der mottenkiste mit den Märchen. Nix gegen Märchen – aber dann sollte man sie auch so nennen…

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