Die Sakralisierung der Säkularisierung


Von Dr. Raschid Bockemühlislam.de

Säkularisierung, die Trennung von Kirche und Staat, ist eines der Markenzeichen moderner Demokratien. Die Muslime können damit gut leben. Ärgerlich wird es aber, wenn die Säkularisierung neuerdings als Waffe zur Verherrlichung Europas und zur Abwehr des Islam eingesetzt wird. Man sollte sich zuerst einmal über Entstehung und aktuelle Bedeutung der Säkularisierung klar werden.

1. Die säkulare Demokratie – ein europäischer Gründungsmythos

In der vormodernen mittelalterlichen Gesellschaft Europas bildeten Religion und Politik eine Einheit. Die Auseinandersetzung mit der protestantischen Reformation (und andere Entwicklungen) lösten dann in der frühen Neuzeit schwere Religionskriege aus – vor allem den Dreißigjährigen Krieg, der Europa in Schutt und Asche legte. Die Lehre aus dieser Katastrophenerfahrung sollte die Säkularisierung des Staates sein. Religion und Politik sollten künftig getrennt bleiben. Eine liberale, säkulare Gesellschaft sollte zum Fundament der demokratischen Entwicklung werden. So will es die historische Legendenbildung – bis heute.

Aber nach dem Westfälischen Frieden, der 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendete, entstanden in Europa keine Demokratien, sondern absolutistische Staaten. Sie waren zwar grundsätzlich säkular, weil der Alleinherrscher keine andere Macht neben sich duldete, sondern im Gegenteil die Macht der Stände, vor allem des Klerus und des Adels, zu brechen suchte. König Ludwig XIV. von Frankreich gab die Parole aus: „L’Etat c’est moi – Ich bin der Staat“. Aber zur Demokratie hat der säkulare Absolutismus nicht geführt. Die Säkularisierung war nicht zum Fundament von Freiheit und Demokratie geworden. Das wird heute in Zeiten kritikloser Verherrlichung der Säkularität gern vergessen. Es gab (und gibt) keinen emanzipatorischen Automatismus, der von der Säkularisierung direkt zur Demokratie führen würde. Freiheit und Demokratie wurden erst nach der Überwindung des Absolutismus durch Aufklärung und französische Revolution möglich. Auch gab es später Staaten, die säkular waren, aber keine Demokratien (z.B. die frühere Sowjetunion). Der säkulare Staat als Fundament der Demokratie ist ein Gründungsmythos, den sich die Europäer selbst geschaffen haben. Und von Mythen nimmt man bekanntlich nur ungern Abschied.

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2 Comments

  1. Wie weit sind die Bright schon gesunken, dass sie derlei Artikel von Islamkonvertiten veröffentlichen?

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  2. Der Artikel hier ist eine nette Anleitung dazu, wie man sich sein eigenes Weltbild zurecht strickt:

    0) Ausgangspunkt: Eine unbewiesene Behauptung wird in den Raum gestellt:

    Ärgerlich wird es aber, wenn die Säkularisierung neuerdings als Waffe zur Verherrlichung Europas und zur Abwehr des Islam eingesetzt wird.

    Gerade die Verfechter der Säkularisierung sind der Meinung, dass die Trennung heute, zumindest in Deutschland, alles andere als perfekt ist. Das zeigt Diskussionen um Kreuze in Schulen/Gerichten, die Kirchenfinanzierung etc. Hier von einer Sonderstellung des Islam auszugehen ist schlichtweg falsch, sondern das ist gerade der Ansatzpunkt der Gegner der Säkularisirung (christliche Kirchen und deren politische Buddies).

    1) Das belege ich dann mit meinem eigenen Geschichtsbild:

    …. Man sollte sich zuerst einmal über Entstehung und aktuelle Bedeutung der Säkularisierung klar werden…..
    1. Die säkulare Demokratie – ein europäischer Gründungsmythos
    …Die Lehre aus dieser Katastrophenerfahrung sollte die Säkularisierung des Staates sein. Religion und Politik sollten künftig getrennt bleiben. Eine liberale, säkulare Gesellschaft sollte zum Fundament der demokratischen Entwicklung werden. So will es die historische Legendenbildung – bis heute…..

    Beim westfälischen Frieden ging es nie und zu keinem Zeitpunkt um die Überwindung einer ‚Katastrophenerfahrung‘. Krieg war zu der Zeit immer noch anerkanntes Mittel der Politik, und am Konferenztisch saßen die Vertreter (größtenteils) absolutistischer Herrscher. Da ging es noch nicht mal andeutungsweise um ‚demokratische Entwicklung‘, sondern rein um die Zementierung von Machtverhältnissen (nicht umsonst setzten z.B. die deutschen Fürsten eine vom HRR unabhängige Außenpolitik durch und nicht umsonst wurde das von Frankreich unterstützt). Die westfälischen Verträge werden heute als Ausgangspunkt des modernen Völkerrechts, aber nicht als Keimzelle der europäischen Demokratie gesehen.

    Aber zur Demokratie hat der säkulare Absolutismus nicht geführt.

    Kunststück: Absolutismus, egal ob säkular oder nicht, und Demokratie sind nicht in Deckung zu bekommen

    2) Dann konstruiere ich Widersprüche, wo keine sind:

    2. Heute: Säkularisierung demokratisch legitimiert
    Erst im modernen Europa ist die Säkularisierung von Staat und Gesellschaft demokratisch verankert und legitimiert. Sie hat sich zu einem wichtigen Bestandteil der europäischen Demokratien entwickelt – aber erst jetzt, nicht schon bei ihrer „Erfindung“ vor dreihundert Jahren.

    Vor 300 Jahren ging es um alles, nur nicht um Säkularisierung. Es ging hauptsächlich um Restauration, auch religiöser. Warum sonst wurden der Passauer Vertrag und der Augsburger Religionsfrieden erneut anerkannt?

    3) Dann verteile ich schwarze Peter

    3. Die Sakralisierung der Säkularisierung…
    Das erscheint psychologisch entlastender und intellektuell einfacher als die gewissenhafte Analyse ihrer wirklichen, nämlich meist politischen, ökonomischen oder sozialen Ursachen.

    4)…indem ich diese an die falschen verteile:

    …Seit Jahren beobachten wir einen Trend zur Dogmatisierung, ja Sakralisierung der Säkularisierung. Eine quasi-religiöse Verehrung alles Säkularen verbindet sich mit missionarischer Militanz gegenüber den Religionen. ….Zur Glorifizierung seiner Vergangenheit und zur Rechtfertigung seiner Warnungen vor der Religion scheint den Europäern das Kontrastbild Islam gerade recht zu kommen.

    Die ‚missionarische Militanz gegenüber Religionen‘ soll der mir mal zeigen, angesichts Äußerungen Merkels bzgl der ‚Rolle des Christentums‘ oder der Diskussion um die ‚christlich-judäischen Wurzeln des Abendlandes‘. Dieses ‚Feindbild des Islam‘ wird gerade nicht von den Vertretern der strikten Trennung von Kirche und Staat propagiert, sondern genau deren Gegnern.

    Fazit: Eine konsequente Durchsetzung der Säkularisierung ist geboten! Keine Priveligierung irgendeiner Religion, und jede Religionsgemeinschaft muss die Menschenrechten ohne wenn und aber, egal welche Traditionen sie haben.

    Gruß

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