Gezähmte Barbaren


Zeichnung der Schlacht bei den Thermopylen, ©Hulton Archive

Steven Pinkers optimistisches Buch „Gewalt“ behauptet, die Welt sei friedlicher geworden. Aber hat der Mensch tatsächlich gelernt, sich selbst zu kontrollieren?

Von Eva IllouzZEIT ONLINE

An Steven Pinkers wuchtigem neuen Buch Gewalt gibt es vieles zu bewundern. Zum einen wird seine zentrale These, der zufolge wir aufgrund eines Rückgangs der Gewalt in besseren Zeiten leben als je zuvor, in ihrer Gewagtheit Konservative wie postmoderne Untergangsapostel gleichermaßen ärgern.

Dass jemand so unerschütterlich wie unmissverständlich an der Idee des moralischen Fortschritts festhält, ist zwar nicht neu. Erfrischend unmodisch aber ist es allemal. Hinzu kommt, dass uns das Buch auf eine atemberaubende Bildungsreise mitnimmt, durch Moralphilosophie, Geschichte, Statistik, Soziologie, Anthropologie, Neurowissenschaften, Evolutionsbiologie, Kognitionspsychologie und Spieltheorie. Alle diese Disziplinen werden mit leichter Hand ins Feld geführt, um zu beweisen, dass Ihr und mein Risiko, durch die Gewalttat eines Fremden oder Nachbarn ums Leben zu kommen, aufgrund beträchtlicher Veränderungen unserer Denk- und Gefühlsmuster erheblich gesunken ist.

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3 Comments

  1. @Argus7
    Ein weiterer Beleg für das räuberische in unseren Genen findet man auch im katholischen Ordensstat in Preussen von 1230 – 1540 n.C. Die Ordnungsmacht war jeweils die Ordensburg im Ort mit angeheuerten Söldnern, die mit grosser Willkür die Menschen ausgenommen haben (http://goerke.us/genealogy/Chronik-Preussen.pdf). Nach der Staatspleite wurden die meisten Ordenburgen von den wütenden Bürgern geschleift, waren doch die 3 – 8 Millionen Abbruch-Ziegel wertvolles Baumaterial.

    Die damaligen Städte sind abgegrenzte Stadtstaaten von einem Schulzen oder Rat nach hoheitlicher Willkür als Gesetz geführt. Die Willkür von Dirschau hat 149 Artikel, die Willkür von Königsberg nur 10. Darin enthalten sind neben den Strafen und Beschränkungen auch Vorschriften für Gewerbe, Markthandel und Bauwesen. Zu erwähnen ist auch die Ordnung für die Weichselfahrer von 1385 mit Löhnen, Strafen, Anordnungen zum Verhalten bei Eisgang und zur Nutzung von Brennholz. Die Willkür von Dirschau wird öffentlich jedes Jahr verlesen, kaum jemand kann lesen und schreiben oder sich gar teure Folianten leisten. Gesetze sind damals durchweg sehr fremdenfeindlich, Händlern ist ein längerer Aufenthalt in der Stadt verboten, der Marktverkauf ist mit Auflagen jährlich nur dreimal gestattet.

    Die Städte haben oft ein Vorkaufsrecht auf die Verträge der Bauern im Umland und können selbige auflösen. Der Verkauf von Getreide, Holz oder Kohlen vor den Stadttoren ist verboten, die Fischer müssen den Fang auf dem Markt anbieten. Niemand darf Getreide per Schiff verladen wenn daran Mangel herrscht. Beim Stapelrecht müssen Händler ihre Waren der Stadt zum Verkauf anbieten, was weite Reisen extrem verlängert usw..

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  2. Argus7
    Ich glaube nicht, dass die Menschen wesentlich friedlicher geworden sind. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch Polizei, Justiz und Gesetze erzwingt ein friedliches Verhalten und Dämpfung der noch vorhandenen Triebe. Wo diese Kontrolle versagt wie jetzt im Nahen Osten, Irak und Afghanisten usw. herrscht Mord und Totschlag wie seit Tausenden von Jahren – nachzulesen aus der Zeit 1200 v.C. sowie 60 n.C.

    Die alten Religions-Diktaturen haben lediglich in Orten mit Tempeln hinter einer Schutzmauer gewirkt. Die Priester waren auch Kontrolleure und Steuereintreiber des lokalen Vasallen-Herrschers und wirkten mit finsteren Drohungen von ewiger Pein und Leiden. Eine öffentliche Ordnungsmacht außer einer Palastwache (heute etwa Präsidentengarde) gab es nicht. Wurden die fälligen Tribute nicht bezahlt, kam alle paar Jahre das Heer des Oberherrschers aus dem fernen Grossreich und machte den Ort platt.

    Die Amarna Texte in Akkadisch geschrieben nennen die Seevölker Shardana, Danuna und Lukka. Viele Texte sind Hilfsgesuche an den Pharao wegen der ständigen Raubzüge und Überfälle der Hapiru wie vom König Akizzi (EA52-56) aus Qatna, König Rib-Hadda (EA68-92, 103-138) aus Gubla, König Abdi-Hebat (EA285-290) aus Jerusalem (Ur-u-salem), König Widia (EA320-326) aus Askalon, König Pu-Ba-Lu (EA314-316) aus Jursa, König Tagi, Milkulu, Addu-Dani und Lapahi (EA264-271, 292-300) aus Gezer, König Suwardata (EA277-284) aus Qiltu, König Biridija (EA242-247, 365) aus Megiddo, König Zatatna und Zurata (EA232-235) aus Akko, König Abu-Milku (EA146-155) aus Tyros, König Zimrida (EA144) aus Sidon, König Ammunira (EA141-143) aus Berutia (Beirut), König Birjawaza (EA194-197) aus Damaskus, König Aziru (EA156-168) aus Amurru usw.

    Hapiru ist keine Ethnie, es bedeutet „Räuberhaufen“ welcher nach 1000 v.C. die Schrift, Sprache und Götzen der Phönizier kopiert und so eine Identität schafft. Die genetische Veranlagung der Hapiru (Hebräer) als Räuber hat sich über Jahrtausende erhalten. Die Existenz vieler Vasallen-Könige in den Orten Palästinas als Teil des Pharaonenreichs widerlegt ein hebräisches Reich als Phantasie.

    Flavius Josephus beschreibt um 60 n.C. eine unsichere Zeit, Plünderung, Mord, Brandschatzung ganzer Landstriche und Erpressung sind an der Tagesordnung. Selbst ein Stephanus, Diener des römischen Kaisers, wird ausgeplündert und die Römer sperren die führenden Männer der Nachbarorte ein. Der neue Prokurator Porcius Festus geht hart gegen das jüdische Bandentum und die Prügeleien mit Nichtjuden (Syrier, Ägypter, Griechen) besonders in Caesarea vor, viele Gefangene werden getötet und unsichere Kandidaten wie auch Paulus nach Rom entsorgt.

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  3. Richtig ! Unsere Welt ist viel viel friedlicher geworden. Wir töten jetzt einander nicht mehr mit primitiven Steinäxten. Inzwischen haben wir weitaus effizientere Tötungsmethoden entwickelt. Jetzt müssen wir einem Feind nicht mehr von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen und ins Auge blicken. Ein Blick auf den PC-Monitor und ein Maus-Klick genügt und der böse Feind ist erledigt.

    Nur noch ein paar primitive Moslems bedienen sich derzeit noch archaischer Methoden, indem sie sich und andere mit Bomben ins Jenseits befördern. Aber früher oder später kommen auch diese antiken Gotteskrieger darauf, dass es viel einfacher ist, per PC zu töten. Damit kämen wir dem Ziel, eine friedlichere Welt zu schaffen schon etwas näher. Von Selbstmördern gezündete Bomben machen nun mal viel zuviel Lärm.

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