
Eine Journalistin ließ sich zum Schein von der Terrormiliz Islamischer Staat anwerben. Ein Kommandeur wollte sie heiraten und nach Syrien locken. Es kam anders – jetzt lebt sie in Todesangst.
Von Martina Meister|DIE WELT
Alles hat auf dem schwarzen Sofa in ihrer kleinen Zweizimmerwohnung begonnen. Stundenlang saß sie darauf im Schneidersitz, einen schwarzen Hidschab übergeworfen, die Haare, der Hals, die Arme verdeckt. Nur das Gesicht und die Hände schauten hervor, auf dem Schoß aufgeklappt lag ihr Computer. Abu Bilel nannte sich der Mann am anderen Ende der Leitung, dessen Gesicht auf dem Bildschirm zu sehen war. Er saß in Syrien, sie in Paris. Mehr als 4000 Kilometer Distanz zwischen ihnen.
Über Skype hat Melodie mit Bilel gesprochen. Jeden Tag, oft stundenlang. Und für einen Dschihadisten kam er ziemlich schnell zur Sache. Reizwäsche möge sie doch bitte nach Rakka mitbringen, die gebe es in Syrien nicht. Und als seine Ehefrau, was sie mit ihrer Einreise nach dem Gesetz der Scharia automatisch sei, dürfe sie sich die tollsten Sachen für ihn ausdenken. Strapse, Netzstrümpfe, Tangas unter ihrem Hidschab, alles kein Problem.
Der Mann, aus Roubaix stammend, spricht perfekt Französisch mit leicht algerischem Einschlag. Er zeigt sich in Kampfmontur und führt stolz das Waffenarsenal in seinem Geländewagen vor. Er hat ein brandneues Smartphone und kommt Melodie vor wie ein Handelsvertreter, der ihr das neue, tolle Leben im Kalifat schmackhaft machen will und sich gleichzeitig damit brüstet, Menschen umzubringen. „Leute töten ist dein Job?“, fragte Melodie ungläubig.