Leider eine ganze normale Stadt in Sachsen


Freital ist ein schöner Ort für Flüchtlinge. Zumindest an diesem Freitagnachmittag auf dem Vorplatz des ehemaligen Hotels Leonardo. „Wenn ich mir das schon einmal anschaue, kann ich ja auch gleich eine Kiste Klamotten mitbringen“, sagt Juliane, die „gleich da oben“ wohnt. Neben ihr fallen sechs Kinder schreiend über drei Teddys her. Schon wieder hat jemand eine Kiste vorbeigebracht. Fast könnte man den Umgang der Freitaler mit ihren Flüchtlingen zum Vorbild für Sachsen erklären. Wären die, die da kaum 50 Meter entfernt gegen „Asylanten“ skandieren, nicht auch Freitaler.


Von Fabian Köhler|TELEPOLIS

Blick auf Freital. Ausschnitt aus einem Panoramabild. Foto: Kolossos/CC BY-SA 3.0

Und würden unten beim Baummarkt-Parkplatz nicht 20 Mannschaftswagen voll mit sächsischen Bereitschaftspolizisten warten, wegen der anderen Art und Weise, auf die Freitaler in den letzten Wochen ihre Flüchtlinge willkommen hießen. Als Menschen, die in Freital Schutz suchten, die Faust von Freitaler Neonazis fanden. Als sie täglich vor der Flüchtlingsunterkunft gegen ihre neuen Nachbarn protestierten. Als Flaschen und Böller flogen. Als 24 Jahre nach Hoyerswerda angereiste linke Aktivisten den Job der Polizei übernehmen mussten.

Aber von all dem ist am Freitagnachmittag noch kaum etwas zu spüren. Federball. Umarmungen. Straßenmalkreide. Alles wirkt wie ein kleines Straßenfest unter neuen Nachbarn und nicht wie die Vorbereitungen zu einer Kundgebung, die vor allem dem Zweck dient, die neuen vor den alten Nachbarn zu schützen.

„Die Leute werden indoktriniert“

„Freital hat kein Flüchtlingsproblem. Die Flüchtlinge haben ein Freital-Problem“, sagt der 16-jährige Nico. Er und seine 15-jährige Freundin Laura organisieren im lokalen Aktionsbündnis den Protest. „Den meisten Freitalern ist es egal“, sagt Nico. „Das kotzt mich richtig an“, sagt Laura und meint, dass schon Grundschulkinder in Freital „über die bösen Flüchtlinge“ redeten. Auch sie seien diese Woche schon mit Flaschen beworfen worden. „Die können sich nicht vorstellen, warum wir das machen, die halten uns alle für indoktriniert“, sagt Laura.

„Die Leute werden indoktriniert“, sagt einer mit einer Fahne aus den deutschen und russischen Farben in der Hand. Rund 70 Meter, zwei Reihen Mannschaftswagen und rund ein Dutzend Bereitschaftspolizisten trennen ihn von der Flüchtlingsunterkunft. „Wir sind ein stolzes Volk, das sich nicht spalten lassen darf. Eigentlich müssten wir alle gemeinsam vor das Rathaus marschieren“, sagt der junge Mann, der seinen Namen nicht verraten will. Gegen Flüchtlinge habe er nichts, „aber dagegen, dass Deutschland immer noch ein Vasall der USA ist.“

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