
Russlands orthodoxe Kirche hat derzeit Oberwasser. Jetzt bekämpft sie sogar moderne Kunst. Museumsdirektoren schlagen Alarm. Doch der Kreml schweigt.
Von Kerstin Holm|Frankfurter Allgemeine
Man kann die christliche Kultur auf unterschiedliche Weise zugrunde richten. Die Russische Orthodoxe Kirche will in Gestalt ihrer obersten Hierarchen von Nächstenliebe, Freiheit und geistiger Suche nichts mehr wissen, sondern setzt auf Subordination, Einschüchterung und aggressive Staatshörigkeit. Der jüngste Überfall selbsternannter orthodoxer Sittenwächter – des Schlägertrupps „Gottes Wille“ unter dem Aktivisten Dmitri Zorionow – auf eine Skulpturenausstellung in der Moskauer Manege zeigt, dass sich um das Kulturleben in Russland ein Belagerungsring zusammenzieht. Der Appell von dreizehn Direktoren staatlicher Museen, darunter des Puschkin-Museums, der Tretjakow-Galerie, der Jüdischen Museums und des Kulturzentrums „Garage“, diesen Kunstvandalismus zu bestrafen, verhallte folgenlos. Derzeit prüfen Experten vielmehr, ob die Ausstellungsstücke gegen das auf Betreiben der Kirche 2013 verabschiedete Gesetz zum Schutz der Gefühle Gläubiger verstoßen.