Philosophieren über Gender


Ganz „natürlich“? Sogar das biologische Geschlecht ist niemals in Reinform zu fassen, sondern nur vermittelt über Sprache und Normen, so die Philosophin Judith Butler. Foto:… – Foto: dpa/p-a
Ehe, Macht, Begehren: Seit der Antike interessieren sich Philosophen für die Geschlechterverhältnisse.
 

Von Susanne Lettow|DER TAGESSPIEGEL

Philosophie – damit verbindet man zumeist ganz abstrakte Fragen nach Sein und Werden, nach den Bedingungen von Erkenntnis und Wahrheit, den Prinzipien der Moral und des guten Lebens. Die Grundfragen und Begriffe, um die es dabei geht, scheinen so allgemein, dass „Geschlecht“ in der Philosophie gar keinen Platz zu haben scheint. Womit also befasst sich Geschlechterforschung in der Philosophie? Und warum?

Zunächst einmal gilt es festzustellen: Die Auffassung, dass Geschlechterverhältnisse kein Gegenstand der Philosophie sind, galt nicht immer – genau genommen ist sie recht jung und vor dem 20. Jahrhundert kaum anzutreffen. Platon und Aristoteles, von denen Grundtexte stammen, auf die sich die europäische Philosophie weitgehend bezieht, haben intensiv über die Bedeutung von Geschlecht in der Natur, der Gesellschaft und im politischen Leben nachgedacht. Begriffliche Unterscheidungen wie die zwischen Materie und Form sind für sie Unterscheidungen, die sich zugleich auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern beziehen. Ihre Vorschläge dazu, wie Politik und gesellschaftliches Zusammenleben zu gestalten seien, geben Auskunft darüber, wie wichtig es auch zu ihrer Zeit war, sich über die soziale Organisation von Geschlechterverhältnissen, von Arbeitsteilungen und Machtverhältnissen zu verständigen.

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