Indonesien: „Von Christen wird erwartet, nicht zu provozieren“


Muslime in Jakarta am Tag des Zuckerfestes / picture alliance
Wie erlebt ein katholischer Priester in Indonesien, dem größten islamischen Land der Welt, deutsche Ängste vor einer „Islamisierung des Abendlandes“? Der Philosoph und Jesuitenpater Franz Magnis-Suseno im Gespräch

Interview Constantin Magnis | Cicero

Cicero: In Deutschland und Europa erklären Islamkritiker, der Islam sei – das stecke schon im Namen – eine Religion der Unterwerfung. Muslime seien friedfertig, solange sie in der Minderheit sind, als Mehrheit gebiete ihnen aber der Koran die Unterjochung der Andersgläubigen. Sie leben seit 55 Jahren als katholischer Priester in Indonesien, mit über 200 Millionen Muslimen dem größten islamischen Land der Welt. Wie erleben Sie das?
Franz Magnis-Suseno:
Man muss geschichtlich erst einmal festhalten, dass der Islam die Toleranz erfunden hat, und nicht das Christentum, dem diese Idee bis zur Aufklärung fremd war. Im Mittleren Osten haben, bis zu den Katastrophen der letzten Jahre, christliche Gemeinden 1400 Jahre in Frieden unter muslimischer Herrschaft gelebt. Nicht gleichberechtigt nach den Standards der modernen Menschenrechte, aber doch als steuerzahlende Bürger, die hohe Positionen erreichen konnten. Natürlich gibt es auch den gewaltbereiten Islam, aber die Mehrheit der Muslime war immer fähig, ganz normal mit anderen Religionen zu koexistieren. Bei uns in Indonesien funktioniert das bis heute. Dort waren es übrigens orthodoxe Muslime, die Demokratie und Menschenrechte in der Verfassung durchgesetzt haben.

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