Irak: Kurdisch-Roulette


Das Unabhängigkeitsreferendum könnte im Handumdrehen zu einem neuen innerirakischen Krieg führen. Diesmal zwischen der schiitisch-arabisch dominierten Zentralmacht in Bagdad und den Abtrünnigen Kurden im Norden. (Foto: AFP)
Mit der Volksabstimmung für die Unabhängigkeit gehen die irakischen Kurden ein sehr hohes Risiko ein. Ihnen droht ein Krieg von allen Seiten.

Von Tomas Avenarius | Süddeutsche.de

Russisches Roulette soll in den europäischen Salons und bei der Zarenarmee als standesgemäßer Zeitvertreib gegolten haben. Gespielt wurde der Selbstmord-Poker von ehrversessenen Glücksrittern und champagnerlaunigen Draufgängern, die ihr von verfeinerten Genüssen geprägtes Leben ebenso erregte wie langweilte. Also hielten sich Großfürsten, Grafen oder Offiziere einen sechsschüssigen Revolver an die Schläfe, in dessen Trommel eine einzige Patrone steckte: Die Überlebenschance beim ersten Abdrücken lag – theoretisch – noch bei rund 85 Prozent und die Wahrscheinlichkeit, den Revolver lebend aus der Hand zu legen, sank mit der Spieldauer deutlich.

Als Mittel der Politik ist solche Risikofreude ungeeignet. Sie hat aber ihren Platz. Historiker sprechen dann gern von „der Fortune“, die das Handeln eines Staatsmannes krönte oder ihm im entscheidenden Moment abhandenkam. Ein aktuelles Beispiel für Russisch-Roulette in der Politik ist das Referendum, das die irakischen Kurden zu Beginn der kommenden Woche abhalten wollen.

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