Ilisu-Staudamm: Ein Welterbe versinkt im Wasser


Jahrzehntelang kämpften Naturschützer gegen den türkischen Ilisu-Staudamm am Tigris. Der Ökologe Ulrich Eichelmann war an vorderster Front. Protokoll eines Abschieds

Ulrich Eichelmann | DERSTANDARD

Am 13. September war ich zum letzten Mal in Hasankeyf am Tigris, in Ilisu. Ich habe mich verabschiedet, von den Bewohnern, vom Fluss, von der Landschaft. Eines der bedeutendsten Gebiete der Menschheit wird untergehen, im Stausee des Ilisu-Staudamms.

Drei Wochen später kann ich all das kaum beschreiben. Es ist unfassbar, dass so etwas im 21. Jahrhundert passiert, mit all unserem Wissen, den internationalen Verbindungen, der globalen Sicht und Aufmerksamkeit. Ich engagiere mich seit 30 Jahren im Naturschutz, habe viel Zerstörung gesehen, aber das hier in Mesopotamien geht mir näher als alles davor.

Hasankeyf ist seit 10.000 Jahren durchgehend bewohnt. Eine vielsprachige Stadt an der Wiege der Menschheit, die nun im Wasser versinkt. Foto: Ulrich Eichelmann

Traurigkeit, Frust, Wut

Als ich vor der 136 Meter hohen und 1,8 Kilometer langen Staumauer in Ilisu stehe, fragen mich Journalisten, was ich fühle. Es ist eine Mischung aus Traurigkeit, Frust und Wut. Wut auf all die, die da mitmachen, die türkische Regierung, die Baufirmen wie die österreichische Andritz. Wut auf die, die geschwiegen haben. Zweifel nagen: Was hätten wir besser machen müssen, um diesen Wahnsinn zu verhindern?

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