Eigentlich wollte der 62-Jährige aus NRW nur eine Woche in der Türkei verbringen. Stattdessen saß er dort 14 Monate in Haft – sein Nachbar soll ihn bei den türkischen Behörden angeschwärzt haben.
Andreas Spinrath, Reiko Pinkert, Karaman Yavuz | tagesschau.de
Wer aus politischen Gründen in der Türkei festgenommen wird, kann oft nur spekulieren, warum er ins Visier der Ermittler geraten ist. Meist ist nicht zu klären, woher die Informationen stammen, die zu einer Festnahme führen.
In einem Fall ist dies anders: Ein in der Türkei verurteilter 62-jähriger Türke aus Nordrhein-Westfalen hat nach Informationen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ nun den Mann angezeigt, der ihn zuvor bei den türkischen Behörden denunziert haben soll – es war sein eigener Nachbar aus einer Kleinstadt in NRW.
In den Gerichtsakten zu dem Fall findet sich der Hinweis, dass sein deutsch-türkischer Nachbar sich telefonisch beim Polizeipräsidium in Kirsehir meldete, dem Geburtsort des 62-Jährigen. Der Anrufer teilte demnach den Behörden mit, sein Nachbar verbreite auf dem eigenen Facebook-Account PKK-Propaganda. „Aufgrund der Anzeige der Person namens Y., die das Polizeipräsidium der Provinz Kirsehir, Leitung der Abteilung für Terrorbekämpfung, (…) angerufen hat, (…) wurden seitens unserer Staatsanwaltschaft Ermittlungen durchgeführt“, heißt es in der Akte. Als der 62-Jährige schließlich im April vergangenen Jahres in die Türkei reiste, wurde er festgenommen und verbrachte anschließend 14 Monate in Haft.