Der Osten redet mit


Das Muster der Vereinigung, das von den Ostdeutschen Anpassung erwartete, funktioniert nicht mehr. Darin liegt auch eine Chance.

Markus Decker | Frankfurter Rundschau

Die ungleiche Vermögensverteilung zwischen Ost und West können Ostdeutsche etwa daran ablesen, dass sie bei Anmietung einer Ferienwohnung an der ostdeutschen Ostsee meist auf westdeutsche Telefonnummern stoßen. ©Jens Büttner/dpa

Da ist er wieder, der Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit, 120 Seiten stark und mit vielen Daten versehen. Auch die Diagnosen muten bekannt an. Die ostdeutsche Wirtschaftskraft stagniert dem Bericht zufolge bei circa 80 Prozent der westdeutschen Wirtschaftskraft. Und die Ostdeutschen stehen der Demokratie unverändert skeptisch gegenüber.

Tatsächlich ist der Bericht wie seine Vorgänger unbefriedigend, weil er sich im Kern auf die Frage konzentriert, ob und wie der Osten zum Westen aufgeschlossen habe. Der Westen ist der Maßstab, an dem nicht gerüttelt wird. Was der Bericht nur am Rande erfasst, ist überdies die ungleiche Vermögensverteilung zwischen Ost und West, die Ostdeutsche etwa daran ablesen können, dass sie bei Anmietung einer Ferienwohnung an der ostdeutschen Ostsee meist auf westdeutsche Telefonnummern stoßen. Auch die westdeutsche Elitendominanz in Ost- und Gesamtdeutschland taucht in dem Papier nicht auf.

Es fehlen also all jene Punkte, die für die westdeutsche Seite unangenehme Fragen aufwerfen würden. Darin läge zu viel Sprengstoff. Dass es in der Tiefe des Ost-West-Verhältnisses dynamische Veränderungen gibt, bildet der Bericht ebenfalls kaum ab.

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