Wie denken die monotheistischen Religionen über Abtreibung?


Der Berliner Podcast „331 – 3 Frauen, 3 Religionen, 1 Thema“ dient dem interreligiösen Austausch. Wir haben dort nachgefragt: Ist Abtreibung eine Sünde?

Antonia Groß, Maxi Beigang | Berliner Zeitung

In den USA kam es zu Protesten, als Anfang Mai Pläne bekannt wurden, das Recht auf Abtreibung wieder abzuschaffen. IMAGO/Karla Cot

Ob Schwangerschaftsabbrüche weiterhin kriminalisiert werden sollen oder nicht, darüber streiten nicht nur Feministinnen und Politiker. Die Debatte wird immer wieder auch von religiösen Fundamentalistinnen und Fundamentalisten angeheizt. Doch was sagen eigentlich Vertreterinnen der drei monotheistischen Weltreligionen selbst? Im Rahmen unserer Serie zu Schwangerschaftsabbrüchen haben wir bei der Jüdin Rebecca Rogowski, der Christin Maike Schöfer und der Muslima Kübra Dalkılıç nachgefragt. Die drei Frauen betreiben den interreligiösen Podcast „331 – drei Frauen, drei Religionen, ein Thema“ herausgegeben vom Berliner House of One.

Berliner Zeitung: Sofort auf den Punkt gefragt: Ist das Streben nach reproduktiver Selbstbestimmung eine Sünde?

Rebecca Rogowski: Das Judentum kennt zwar Überschreitungen und Verbote, den Begriff der Sünde gibt es aber nicht. Wir haben auch keine Erbsünde, das ist ein christliches Prinzip. Im Judentum hat die schwangere Person ein Selbstbestimmungsrecht.

Maike Schöfer: Nein, es ist keine Sünde. Insbesondere nicht in der protestantischen Konfession, die die eigene Gewissensentscheidung vor Gott betont. Ich finde nicht, dass Kirche oder andere Christ:innen sagen dürfen, dass das Sünde ist.

Jede Person sollte selbst entscheiden, wie sie ihr Leben lebt, und das immer in Verbindung mit christlichen Werten, das sind Liebe, Nächstenliebe, Vertrauen und Freiheit. Das passt für mich zusammen, wenn es um Selbstbestimmung geht.

Kübra Dalkılıç: Wir sind alle Individuen. Gott hat uns einen freien Willen gegeben. Natürlich gibt es im Koran auch Sünden, wie zum Beispiel Töten, üble Nachrede. Die Entscheidung liegt aber immer bei der handelnden Person. Ich habe die Wahl: Begehe ich die Sünde oder nicht?

Daher, Selbstbestimmung ist keine Sünde. Der Mensch soll für sich Entscheidungen treffen und – ganz, ganz wichtig – nachdenken. Im Koran gibt es viele Stellen, die sagen, dass der Mensch die Aufgabe hat, selbst nachzudenken, über sein eigenes Leben zu bestimmen.

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