Russland, Ukraine und Getreide: Hat der Westen Anteil am Scheitern des Abkommens?


Bernd Müller | TELEPOLIS

(Bild: Hans, Pixabay)

Es waren eindringliche Worte, welche die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kürzlich an den russischen Präsidenten Wladimir Putin richtete: „Unterlassen Sie es, Hunger als Waffe einzusetzen“, sagte sie laut Spiegel am Rande eines Besuchs bei den Vereinten Nationen in New York.

Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, ob Russland das von der UNO vermittelte Getreideabkommen mit der Ukraine verlängern würde. Wenige Tage später herrschte Klarheit: Das Abkommen ist ausgelaufen und es ist unklar, ob es jemals wieder mit Leben erfüllt wird.

Seitdem unterliegen die Weizenpreise auf dem Weltmarkt großen Schwankungen. Mittelfristig könnten sie nach Angaben des Internationalen Währungsfonds um zehn bis 15 Prozent steigen. Der Hunger in der Welt könnte dadurch zunehmen.

Mit jedem Prozent Preisanstieg würden laut Weltbank schätzungsweise weltweit zehn Millionen Menschen mehr in extreme Armut gestoßen, heißt es in einer Antwort des Auswärtigen Amts auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, die Telepolis vorliegt.

„Damit sind die Ärmsten und Schwächsten der Welt die Hauptleidtragenden der unilateralen Aufkündigung des Schwarzmeer-Getreideabkommens durch Russland“, schreibt Susanne Baumann, die unter Annalena Baerbock Staatssekretärin im Auswärtigen Amt wurde, in dem Papier.

Aus Sicht der agrarpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Ina Latendorf, ist das falsch. „Die Regierung erweckt den Eindruck, dass die Ärmsten und Schwächsten der Welt am meisten von den ukrainischen Exporten profitiert hätten“, erklärt sie auf Telepolis-Anfrage. „Das ist eine bewusste Täuschung!“

Die Zahlen des UN-Koordinationszentrums für die Getreideinitiative geben Latendorf recht. Nur ein verschwindend geringer Teil des ukrainischen Getreides gelangte in Länder mit niedrigem Einkommen. Nur etwa neun Prozent des Weizens gingen in diese Länder, von den gesamten Nahrungsmittelexporten der Ukraine waren es nur 2,5 Prozent.

Das mit Abstand wichtigste Exportprodukt, Mais, habe die ärmsten Länder gar nicht erreicht, betont Latendorf. Er ging nach China und in die Europäische Union, wo er in der industriellen Tiermast eingesetzt wird. „Statt den Welthunger aktiv zu bekämpfen, machen Konzerne aus Handel, Mast und Verarbeitung Profite“, so Latendorf.

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