Das Kreuz mit Pofalla


Abgeordnetenwatch mit einer persönlichen Begründung des christlichen Fundamentalisten Pofalla zur Verwendung von Kruzifixen in öffentlichen Einrichtungen.

Sehr geehrter Herr Pofalla,

sind Sie sich dessen bewusst, dass Ihre Forderung nach Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in allen Schulen einen Verstoß gegen das Grundgesetz darstellt?

Wie hat das Bundesverfassungsgericht doch schon 1995 festgestellt:
„Die (staatlich verordnete) Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, verstößt gegen Art. 4 Abs. 1 GG.“

Sie werden sich doch als gewählter Volksvertreter nicht gegen das Grundgesetz stellen, oder?

Mit freundlichen Grüßen

Horst Fischer

Und hier die Antwort, eine Art intellektuelle Notdurft.

Sehr geehrter Herr Fischer,

vielen Dank für Ihre Mail, die ich mit Interesse gelesen habe.

Ich möchte Ihrer Kritik an meinen Äußerungen widersprechen. Als Partei, die das Christliche im Namen trägt, wollen wir, dass das Bekenntnis zum Christentum im öffentlichen Raum erhalten bleibt.

Das Kruzifix ist mehr als nur ein religiöses Symbol. Hängt ein Kreuz im Klassenzimmer einer Schule, werden die durch den Unterricht zu vermittelnden überkonfessionellen christlich-abendländischen Werte und ethischen Normen den Lehrern und Schülern sinnbildlich vor Augen geführt.

Dabei bezieht sich die Bejahung des Christentums nicht auf Glaubensinhalte, sondern auf seinen Charakter als prägender Kultur- und Bildungsfaktor und ist damit auch gegenüber Nichtchristen durch die Geschichte des abendländlichen Kulturkreises gerechtfertigt.

Der Staat verletzt damit nicht das Gebot weltanschaulicher und religiöser Neutralität. Dieses beinhaltet nämlich nicht die Verpflichtung des Staates zur Indifferenz oder zum Laizismus.

Auch für einen nichtgläubigen Schüler versinnbildlicht es die Werte der christlich geprägten abendländlichen Kultur und daneben noch eine von ihm nicht geteilte, abgelehnte religiöse Überzeugung. Die Schüler sind nicht zu besonderen Verhaltensweisen oder religiösen Übungen vor dem Kreuz verpflichtet. Angesichts des Sinngehalts, den das Kreuz im Klassenzimmer für nichtchristliche Schüler hat, entstehen ihnen keine unzumutbaren psychischen Beeinträchtigungen oder mentale Belastungen. Auch sie sind zur Toleranz verpflichtet.

Mit freundlichen Grüßen
Ronald Pofalla, MdB

Herr Pofalla, Sie empfehlen sich für eine Abstimmung zum Dodo des Monats September 2007. 🙂

13 Comments

  1. „christlich-abendländische Werte und ethische Normen“

    So so:
    – Unterdrückung.
    – Folter,
    – Meinungsunfreiheit,
    – Mord und Totschlag,
    – die römische Variante des Galgens = Hinrichtung / Todesstrafe,
    – Kreuzzüge,
    – Scheiterhaufen,
    – Menschen-Schlachtungen in Süd-/Mittelamerika
    – …

    Tolle „christlich-abendländische Werte“, Herr Pofalla! Aber dazu passt ja, dass diese Witzfigur die verfassungsfeindlichen Abschuss-Pläne von Kriegsminister Jung ganz toll findet. Ein ganzer Christen Dank Chappi , der Ronald! 😆

    Gruß

    Alex

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  2. „Und wenn Kreuz, reicht da ein schlichtes Holzi, oder muss er der leidende Nackerte sein?“

    Vermutlich ist Herr Pofalla katholisch: Da gehört das so.

    Im Übrigen ist der Gekreuzigte doch gar nicht nackt 😉

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  3. Hängt doch den Göetz-Spruch (den berühmt berüchtigten mit „im“ statt „am“) vom Goethen in die Klassenzimmer. Ich wette mich zu trauen, dass zumindest die Schüler und Lehrer und vorbekommenden Eltern sich mehrheitlich leitkulturell in diesem Spruch symbolisiert wiederfinden.

    Und wenn ein Christensymbol, warum das Kreuz. Und wenn Kreuz, reicht da ein schlichtes Holzi, oder muss er der leidende Nackerte sein? Warum nicht ein Fisch? Oder frei nach dem Cartoon „So hätten sie sich Gott wohl nicht vorgestellt“ eine Ente?

    Pofalla, Söder und Co haben ja vor kurzem schon ihr neues christliches Leitkulturprogramm rausgelassen. Darin wimmelt es nur so von sachlichen Fehlern, oder zumindest schwer umstrittenen Argumenten.

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  4. Pofalla: „Auch für einen nichtgläubigen Schüler versinnbildlicht es die Werte der christlich geprägten abendländlichen Kultur (…).“

    Herr Pofalla verlangt von mir als Nichtgläubigem, dass ich das Kreuz als überreligiöses Symbol anerkenne, das für die gesamte abendländische Kultur steht.
    Tut mir leid, guter Mann, aber diese Anerkennung verweigere ich, und ich denke auch nicht, dass ich in irgendeiner Weise dazu verpflichtet bin!

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  5. Herr Pofalla entblödet sich nicht, das Kreuz rückwirkend auch zum Symbol der vorchristlichen griechisch-römischen Kultur zu erklären.

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  6. Wenn man alle Religionen und Weltanschauungen durch Symbole repräsentieren wollte, dann müsste man auch Sekten repräsentieren – und Hakenkreuze aufhängen.

    Dieses idiotische Argument hat schon der Direktor meiner ehemaligen Schule angebracht. Ich würde sagen, dass den Religiösen kein Millimeter Einfluss mehr zukommen sollte, als ihnen das Gesetz garantiert – und das sollte man auch noch neutraler gestalten wie in den USA.

    Als wir uns für das Abhängen der Kreuze einsetzten, habe ich von Mitschülern erfahren, dass uns ihre Eltern gerne „aufhängen“ oder „verbrennen“ würden. Da seht ihr mal, mit was für Leuten wir es hier zu tun haben. Denen komme ich keinen Millimeter entgegen. Am besten wäre es, man würde ein Anti-Pöbel-Einsatzteam bereitstellen für jeden, der sich für die Trennung von Staat und Kirche engagiert.

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  7. Falk schrieb:
    „Man könnte statt der Kreuze ja Voltaires oder Kants an die Klassenzimmerwände hängen.“

    Naja, mit Kants Rache-Gerechtigkeitsempfinden kann nun auch nicht jeder etwas anfangen…

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  8. Aber, aber, Herr Pofalla. Warum wollen sie zurück zu „christlich-abendländischen“ Werten? Was ist so toll an Hexenprozessen, Kreuzzügen und Essen ohne Gabel?
    Sollten wir uns nicht lieber auf humanistisch-aufklärerische Werte beziehen wie Willens- und Religionsfreiheit, Demokratie und wissenschaftlicher Fortschritt?
    Ich hoffe, Herr Pofalla, der „Dodo des Monats“ für September wird ihnen die Augen öffnen, daß niemand, außer ihnen und ein paar ihrer Mittelalternostalgiker, zurück will in Zeiten, als der Papst noch bestimmte wann und wie man zur Toilette geht (sofern man den überhaupt ein abort hatte).

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  9. Man könnte statt der Kreuze ja Voltaires oder Kants an die Klassenzimmerwände hängen. Mit dieser Symbolik sollte sich jeder deutsche Bürger identifizieren können, ob Christ oder Nicht-Christ.

    Liegt doch viel näher als das Aufhängen von Kreuzen.

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  10. Bei diesem ganzen Symbol-Bashing sollten wir uns vor Augen halten, dass für viele Menschen Rituale und eben auch Symbole eine gewisse Stärkung ihres verantwortungsvollen freien Lebens darstellen.

    Insofern sollte über religions-unbehaftete Symbole als Träger von abendländlichen Sinngehalts nachgedacht werden.

    Wenn ich auch den aktiven Widerspruch gegen solche Schwachmaten wie Pofalla, B16 u.a. für der Zeit angemessen betrachte, ist die größere Aufgabe der Brights momentan eher eine (Weiter-)Entwicklung und Verbreitung säkulärer Rituale und Symbole.

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  11. Den Dodo verdient er sich wohl redlich 🙂

    Das Kreuz ist gar nicht nur christlich, nein, es kann auch als ganz gewöhnliches Folterinstrument herhalten. Die daran hängende Figur kann man auch umdeuten, als Sinnbild für die Opfer der Todesstrafe schlechthin und somit wird es zum Symbol der in Artikel 1 Grundgesetz verkörperten Gedankens der Menschenwürde (der ansich mit den Bibelinhalten nicht in Einklang zu bringen ist).

    Durch die Verwendung des Kreuzes in der Gothik-Grufti-Szene, die ebenfalls nicht nur den christlichen Aussagegehalt im Kreuz sieht, sondern auch die Darstellung von Melancholie und Tod, hat es nebenbei auch den Aussagehalt einer jugendlichen Subkiltur (nicht abwertend gemeint), so dass dem Kreuz auch ein regelrecht moderner Aussagegehalt zukommt.

    Vielleicht sollte das Kreuz demnächst auch als Symbol für den Atheismus herhalten? Pofalla würde eine Begründung schon hinbiegen…

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