Der Namensbunker


Michael Marek
LANGSTRECKE: Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Mormonen mit der Sammlung. Mittlerweile sind drei Milliarden Menschen erfasst. Foto: Michael Marek

Wer seine Familiengeschichte erkunden will, landet irgendwann in einem kleinen Ort in der Nähe von Salt Lake City. In einem Bergstollen bewahren Mormonen die Daten von Verstorbenen aller Länder auf. Hinter der Dienstleistung steckt Ideologie.

VON MICHAEL MAREK, SALT LAKE CITY – merkur.de

Little Cottonwood Canyon, 40 Kilometer südöstlich von Salt Lake City: Hier, inmitten der Rocky Mountains, lagern über 2,5 Millionen Mikrofilmrollen. Die Berge um das Zentrum der Mormonen sind ein beliebtes Ausflugsziel bei Skifahrern und Wanderern. Kaum ein Tourist weiß, dass sich im Granite Mountain eine einzigartige Lagerungsstätte zur Ahnenforschung befindet. Verschlossen durch eine 14 Tonnen schwere Stahltür, lagern in einem Bergstollen die Namen von mehr als drei Milliarden Menschen.

Gesichert auf Mikrofilm, geschützt vor saurem Regen und radioaktiver Strahlung, hilft diese weltweit größte Namensammlung Wissenschaftlern und Hobbygenealogen aus aller Welt bei ihren familienkundlichen Forschungen: „Wenn wir eine starke Familie haben, dann haben wir auch eine starke Nation“, sagt Tab Thompson vom Familiensuchzentrum in Salt Lake City. „Und wenn wir eine starke Nation haben, dann haben wir aucheine starke Welt mit mehr Frieden, weil jedem klar wird, dass wir uns alle doch ähnlich sind.“

Ein gelblich gestrichener, über 200 Meter langer, erdbebensicherer Tunnel führt in den Granitberg. Tausende von Archivkästen stehen hier, in denen das Filmmaterial aufbewahrt wird. Bei 16 Grad Celsius und 30 Prozent Luftfeuchtigkeit. Sommer wie Winter. Geschützt in sechs unterirdischen Gewölberäumen. Fast alle europäischen Länder sind im Rahmen der Haager Konvention für Kulturgutschutz dabei, eigene national bedeutsame Archivbestände auf Sicherungsfilm für die Nachwelt zu übertragen. Doch bis auf die Bundesrepublik und die Schweiz gibt es niemanden weltweit, der über eine unterirdische Lagerungsstätte verfügt – mit Ausnahme der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“. So nennen sich die Mormonen offiziell, aus christlicher Sicht sind sie eine Sekte.

1894 wurde das Genealogie-Archiv der Mormonen gegründet. Heute bewahren Mikrofilme die Daten von Verstorbenen, die vor 1930 gelebt haben. Drei Milliarden Namen aller Nationalitäten wurden zusammengetragen. Von Kindern, Frauen und Männern jeden Alters und jeder Religionszugehörigkeit. Was für die Bundesrepublik der Freiburger „Barbara-Stollen“ mit seinen mikroverfilmten Dokumenten deutscher Geschichte ist, das entspricht dem Namen- und Ahnenregister der Mormonen. „Wenn man nach seinen Vorfahren forscht, findet man Halt, und man weiß, dass man ein Teil dieser Welt ist“, erklärt Tab Thompson voller Überzeugung.

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5 Comments

  1. Man hat damit Gelegenheit zu träumen, wie würde es aussehen, wenn mein Urgroßvater Henry Ford wäre. Vielleicht würde ich heute der Sekretärin Anweisung geben, mir aus dem Brights-blog vorzulesen 😀

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  2. Erkenntnisse hin oder her.Ich finde es mehr als merkwürdig, wenn Daten von Menschen, Erbschaftsangelegenheiten usw. von Behörden an eine obskure Sekte weitergegeben werden, damit diese, in einem Akt der irrationalen Selbstbefriedigung, ihre Endzeitvisionen verbreiten kann. Die Geschichte von Smith und dem Moroni Engel ist doch genauso idiotisch wie Rael und der andere Mist. ich möchte jedenfalls meine Daten nicht in den Händen solcher Sinner wissen.

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  3. Erkenntnis (auch über die Vergangenheit) hat auch einen Wert an sich daher ist das Archiv wichtig…

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  4. Finde ich irgendwie unnötig. Meine Vorfahren haben recht wenig Einfluss auf mein Leben (alles was weiter zurückliegt als die Urgroßeltern).
    Man sollte in der Gegenwart leben und sich nicht auf alten Lorbeeren ausruhen oder „was wäre wenn“ Fragen nachgehen.

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