Der Kotau einer Behörde


Wikipedia
Thomas Krüger, bpb. Quelle: Wikipedia

Bei Scott, die Feiertage sind vorbei, damit die Ferien und die lieben Kleinen müssen sich wieder in die Schule bewegen. Wir erinnern uns an die unruhige Zeit, als einige Schüler in der Zeitschrift Q-rage kritische Anmerkungen zu fundamentalen Evangelikalen machten. Das Geschrei derselben noch im Ohr, knickte der Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung ganz schnell ein. Die Fundis forderten Wiedergutmachung, hier ist sie, verbal, mit einem tiefen Kotau einer Behörde vor religiösen Fundamentalisten, einem säkularen Staat unwürdig. Für Kotau kann man nach dem Lesen des Briefes auch ganz locker ein anderes Wort einsetzen.

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Lehrerinnen und Lehrer,

vor wenigen Tagen habe ich Ihnen in einem Schreiben die neueste Ausgabe der Q-rage empfohlen. Ich habe dies getan, weil ich auf die ausgewogene Berichterstattung früherer Ausgaben vertraut habe und die Arbeit von „Schulen ohne Rassisimus — Schulen mit Courage“, die die Zeitung presserechtlich verantwortet, seit vielen Jahren kenne und schätze. Das Projekt und die Zeitschrift werden im übrigen auch von „XENOS — Leben und Arbeiten in Vielfalt“, der Europäischen Union, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung unterstützt. So wie dies in der Vergangenheit andere prominente Vertreter der Fördereinrichtungen getan haben, lag der aktuellen Ausgabe der Courage ein Empfehlungsschreiben der bpb bei. In dem Partizipationsprojekt Q-rage haben Jugendliche die Möglichkeit, ihre Positionen in ihrer eigenen Sprache journalistisch zu formulieren und zur Debatte zu stellen. Die Bundeszentrale für politische Bildung lässt sich die Artikel bisher nicht vor der Veröffentlichung vorlegen, um jeden Anschein von eingreifender Zensur zu vermeiden.
Erst nach Veröffentlichung habe ich deshalb die gedruckte Ausgabe lesen können und dort den Artikel „Die evangelikalen Missionare“ (S. 11) zur Kenntnis genommen. Ich halte diesen Beitrag in seiner Einseitigkeit und Undifferenziertheit für gänzlich inakzeptabel. In dem Artikel werden Evangelikale pauschal mit christlichen Fundamentalisten gleichgesetzt. Eine Gleichsetzung der evangelikalen Bewegung mit dem christlischen Fundamentalismus halte ich für unangemessen und für nicht zutreffend. Differenzierungsversuche bleiben in dem Artikel bruchstückhaft. So kann in der Tat ein falscher und diskriminierender Eundruck entstehen.
Sollte durch mein Empfehlungsschreiben der Eindruck entstanden sein, die in dem Artikel dargelegte Position werde von mir oder der Bundeszentrale für politische Bildung geteilt, so bedauere ich das sehr und entschuldige mich ausdrücklich. Dies ist nicht der Fall. Als Bundeszentrale für politische Bildung ist es uns wichtig, differenziert über politische und religiöse Phänomene zu berichten und keine Pauschalurteile zu fällen.
Im Sinne des Beutelsbacher Konsenses ist es aber auch unsere Aufgabe, kontroversen Positionen Raum zu geben. Der Artikel in der Q-rage stellt die Position der jugendlichen Verfassser dar und eine solche Position sollte in jedem Fall kontrovers diskutiert werden. Ich werde auf die verantwortlichen Herausgeber einwirken, gemeinsam mit den Jugendlichen, die ihre Meinung im Magazin geäußert haben, die kritischen Positionen zum Thema kennenzulernen. Hierzu werde ich sowohl die jugendlichen Verfasser als auch Vertreter von evangelikalen Einrichtungen in Deutschland zu einer öffentlichen Debatte zum Thema einladen. Ich werde mich für eine Veröffentlichung dieser kontroversen Diskussion in der kommenden Ausgabe von Q-rage einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Krüger
(Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung)

tnx ostfriese
Quelle: Das Schreiben des Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung dürften Lehrer in ihren Postfächern vorfinden
q-rage

10 Comments

  1. April 2008 Der Spiegel »Aufschwung Jesu«:

    Noch haben die Evangelikalen hier in Deutschland nicht den gleichen Einfluss wie in den USA, aber einen Plan dafür gibt es schon. Verfasst hat ihn Hartmut Steeb, der Generalsekretär des hiesigen evangelikalen Dachverbandes „Evangelische Allianz“ – auch sie trägt das Christival mit. Der Vater von zehn Kindern fungiert als Netzwerk-Chef von 1,4 Millionen Evangelikalen. Schon im Jahr 2005 rief er zum langen Marsch in die Politik auf. Steebs Appell „Wir mischen mit“, veröffentlicht im Evangelikalen-Blatt „Eins“, klingt wenig nach Gott, aber sehr nach Macht.

    Genau das ist es und Steeb hat da den Knüppel aus dem Sack gelassen und Krüger ist brav in selben gesprungen.

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  2. Thomas Krüger

    Ich halte diesen Beitrag in seiner Einseitigkeit und Undifferenziertheit für gänzlich inakzeptabel.


    Stellt man so klar, dass man „selbst keine Position zu diesem Artikel hat“?

    Die beiden Autoren braucht Krüger zu keinem Diskurs einzuladen, die haben ihn nämlich eröffnet. Vielmehr versucht der bpb-Präsident, die von öffentlichen Fördermitteln abhängige Zeitschrift Q-rage auf Druck der Evangelikalen zur Veröffentlichung der Gegenposition zu zwingen. Nebenbei gibt er unmissverständlich zu verstehen, dass andernfalls zukünftig eine Zensur erwogen wird („Die Bundeszentrale für politische Bildung lässt sich die Artikel bisher nicht vor der Veröffentlichung vorlegen, um jeden Anschein von eingreifender Zensur zu vermeiden.“).

    Sorry, fallenangel, Krügers Verhalten ist so ziemlich das genaue Gegenteil dessen, was ich von einem Mann in seinem Amt erwarte. Und wenn Dir das nicht einsichtig ist, solltest Du dringend Dein Verhältnis zur Meinungsfreiheit hinterfragen.

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  3. ihr habt echt nicht mehr alle Tassen im Schrank Leute!
    Krüger tut genau das, was man von einer offiziellen Institution erwarten. Er stellt klar, daß er selbst keine Position zu diesem Artikel hat, beruhigt die Seelen die sich aufregen und läd zu einem Diskurs ein.

    Wer sich darüber aufregt, sollte vielleicht nochmal besser die Schulbank drücken.

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  4. ostfriese:

    Dass er, um möglichst billig seine Haut zu retten, politisch engagierte Schüler radikalen Eiferern zum Fraß vorwirft, ist für einen bpb-Chef eine Verantwortungslosigkeit und Rückgratlosigkeit sondergleichen.

    Dem ist vorbehaltlos zu zustimmen, leider.

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  5. Krüger hätte von säkularer Seite jede denkbare Unterstützung erhalten, wenn er standhaft geblieben wäre. Dass er, um möglichst billig seine Haut zu retten, politisch engagierte Schüler radikalen Eiferern zum Fraß vorwirft, ist für einen bpb-Chef eine Verantwortungslosigkeit und Rückgratlosigkeit sondergleichen.

    Ausführlich diskutiert wurde der Fall auch bei Spiegel online:

    http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,596970,00.html

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  6. Krüger kommt doch selbst aus dem protestantischen Stall. Er ist Theologe und war Vikar. Den Stallgeruch wird er eben nicht mehr los. Als Präsident einer Bundesbehörde gehört mehr dazu, als einen nackten Arsch auf einem Wahlplakat zu zeigen, man muss einen in der Hose haben.

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  7. An solchen Geschichten erkennt man, wie wichtig eine gute Lobbyarbeit ist.
    Wer nicht mit aller Macht auftreten kann, dessen Meinung gibt es nicht und wird weder wahr- noch ernst genommen!

    Bei solchen Aktionen von christlichen Sekten sollte EIN säkularer Verband bereit stehen und im Namen von Millionen Deutschen widersprechen!
    So könnte man auch Herrn Krüger den Rücken stärken, was ja mehr als nötig ist!

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  8. Thomas Krüger

    Ich werde auf die verantwortlichen Herausgeber einwirken, gemeinsam mit den Jugendlichen, die ihre Meinung im Magazin geäußert haben, die kritischen Positionen zum Thema kennenzulernen.


    Woraus wir messerscharf schließen, dass jene Jugendlichen, die den fraglichen Artikel in der Q-rage verfassten, nach Krügers Auffassung eine „unkritische Position“ vertraten. Hmm. Hatten sie sich vielleicht zum Kaffetrinken versammelt und aus Langeweile auf Evangelikalen-Bashing umgeschwenkt? Komisch, ich erkannte hinter dem Aufsatz hoch engagierte, aufrichtig besorgte, erstaunliche reife und kritikfähige junge Menschen, die sich u.a. gegen religiöse Einflussnahme und drohende Unterminierung wissenschaftlicher Standards im Bildungssektor wenden.

    Dass die bpb (nicht zu verwechseln mit der pbc) hiergegen zu Felde zieht, ist nicht weniger als ein Skandal, und wenn Thomas Krüger diesen Kotau vor christlichen Radikalen selbst verantwortet, dann ist er in seiner Position untragbar. Ich befürchte allerdings, dass ihn massiver politischer Druck zu dieser Stellungnahme zwang — die offenbare Macht der Bibeltreuen in Deutschland ist alarmierend.

    Wie ich gerade herausfand, haben einige Schulen Krügers Schreiben bereits vor den Ferien verteilt, und auch die Presse hat schon reagiert:

    http://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/kotau-vor-christen-fundis/

    Immerhin hält die Zeitung selbst mutig dagegen:

    http://www.schule-ohne-rassismus.org/q-rage-zeitung.html

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  9. Nun darf sich Herr Krüger damit wohl damit zu den Wirbelosen vom ZDF und der hess. SPD und anderen Gesellen stellen.

    Sehr schade, da er es eigentlich nicht verdient hat.

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