Skandinavien: Rechts  verliert, Links gewinnt


Jens Mattern | Overton

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Am meisten stach Finnland hervor. Das gefrorene Lächeln von Riikka Purra, dem Parteivorsitzenden der „Basisfinnen“, am Wahlabend steht für den beispiellosen Verlust der rechten Partei in Finnland. Das Ergebnis bezeichnete die 46-Jährige als „Überraschung“ und „sehr verwirrend“, man werde in sich gehen.

Bei den Europawahlen konnten die Rechten gerade mal 7,6 Prozent erreichen, acht Prozent weniger als beim letzten Urnengang für die Sitze in Straßburg. Doch die Finninnen und Finnen vergleichen mit einer anderen Zahl – bei den Parlamentswahlen im April 2023 erreichte die Partei über zwanzig Prozent und ist seit dem vergangenen Juni nun Teil der Regierung.

Und genau dies gilt als ihr Problem. Denn unter der Regie von Premierminister  Petteri Orpo von der bürgerlichen „Nationalen Sammlung“ wurde den Vertretern der rechten, migrationsfeindlichen Partei verantwortungsvolle Posten zugetragen. So ist Purra Finanzministerin, auch die Ministerien für Wirtschaft, Inneres, Justiz und Soziales sind in der Verantwortung der Basisfinnen.

Und somit wurden die Vertreterinnen und Vertreter der Partei zu den Gesichtern der sozialen Härte, welche einen Teil der 5,5 Millionen Bewohner des nordischen Landes gerade trifft.

Die Staatsschulden von 140 Milliarden Euro werden derzeit durch Kürzungen im Sozialbereich verringert, hinzu kommen Einschränkungen im Kündigungsschutz oder im Streikrecht. Im März reagierten die Gewerkschaften darauf mit einem Generalstreik.

Dabei waren die Basisfinnen als Partei der „Kleinen Leute“ angetreten, welche sich gegen die Arroganz der Eliten positionierte und das „alte Finnland“ ohne Ausländer und progressive Gesellschaftsexperimente beschwor. Der studierten Politologin Purra fehlt es auch an einer gewissen Sensibilität –  als auf einer Konferenz die Rede von sozialen Kürzungen war, schwenkte sie mit schelmischen Lächeln eine Schere.

Da nutzte dann im Europa-Wahlkampf auch die Stimmungsmache der Partei gegen die Migration nichts, da die Zuwanderung bereits per Gesetz in der Koalition eingeschränkt wurde.

Zudem konnte die 1995 gegründete Partei, welche sich kürzlich von der Idee des „Finnexits“ verabschiedet hatte, nicht vermitteln, was sie im Europaparlament eigentlich erreichen wollten. Das auch deswegen, weil sie das Parlament in Straßburg nutzte, um unliebsame Mitglieder außer Landes zu bekommen, wie etwa den einstigen Spitzenpolitiker Teuvo Hakkarainen, der Parteikolleginnen sexuell belästigt hatte.

Was den „Basisfinnen“ widerfuhr, steht in einer Tradition des Landes: Erreicht eine populistisch auftretende Partei eine gewisse Größe, wird der Wille der Wähler von den anderen Parteien respektiert, die Radikalen dürfen  mitregieren und werden durch den „Verantwortungsschock“ deklassiert und entzaubert.

Auch der Vorgänger der Rechten, die „Finnische Agrarpartei“, war in den achtziger Jahren zweimal an einer Koalition beteiligt, doch an der hohen Arbeitslosigkeit konnten sie nichts ändern, sie lösten sich schließlich auf.

Und Timo Soini, der Gründer und erste Vorsitzende der Basisfinnen, scheiterte  kläglich als Außenminister, da er sich im Flüchtlingsjahr 2015 nicht durchsetzen konnte, die Einwanderung einzugrenzen. Was sein Wahlversprechen war.

Durch die soziale Misere überzeugte das  „Linksbündnis“ unter der sympathischen Parteichefin Li Andersson über 17 Prozent der Wähler, darunter viele ehemalige Anhänger der Rechten. Die einstige Erziehungsministerin hat das Potenzial wie die ehemalige sozialdemokratische Regierungschefin Sanne Marin,  als neue Polit-Influencerin in den Sozialen Medien gefeiert zu werden. Sie gehörte innerhalb der finnischen Linken, welche 2022 in dieser Frage gespalten waren, zu den NATO-Befürwortern und wird auch im Europaparlament, im Gegensatz zu anderen Linksparteien, Stellung gegen Russland beziehen. Darum wandte sie sich bereits im Vorfeld vehement gegen die Aufnahmen von „Bündnis Sarah Wagenknecht“ in die linke Fraktion im Europaparlament.

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