Schöne neue Arbeitswelt: Die Zielvereinbarung – Verantwortungslast und Gegenwehr


Hermann Bueren | TELEPOLIS

Das Gefühl, für die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes verantwortlich zu sein, erzeugt Druck. Symbolbild: Pixabay Licence

Es dauerte aber noch bis zur Jahrtausendwende, bis Unternehmen auf diese Machttechniken gezielt und umfangreich zurückgriffen. Auslöser war eine zu dieser Zeit in Wirtschaft und Politik geführte Diskussion um die Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft („Standortdebatte“) vor dem Hintergrund von Massenarbeitslosigkeit und sinkenden Profitraten in manchen Unternehmen.

Teil 1: Schöne neue Arbeitswelt: Verantwortung ohne Macht
Teil 2: Schöne neue Arbeitswelt: Verantwortung für die "Gesundheit" der Maschinen

Parteien, Medien und Arbeitgeberverbände kritisierten hohe Arbeitskosten und die mangelnde Leistungsintensität in den Betrieben. Die Unternehmen nutzten diese Krise als Chance für einen raschen und unwiderruflichen Wandel in der betrieblichen Leistungspolitik. Seitdem sind Zielvereinbarungen in Unternehmen eine übliche und weit verbreitete Methode der Leistungsbeurteilung und der Einbindung der Beschäftigten im Sinne einer Mitverantwortung für das Unternehmen.

Laut einer 2019 durchgeführten Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zur Arbeitssituation im Dienstleistungssektor geben 58 Prozent der Befragten an, ihre Leistungen würden durch Ziele, Ergebnisse oder durch die Anordnung von Vorgesetzten gesteuert., 53 Prozent sehen ihre Arbeitsmenge über gemeinsame Vereinbarungen im Team oder einer Projektgruppe bestimmt.

Die Vereinbarung von Zielen

Im Kern geht es bei diesen Vereinbarungen um die Übertragung von Unternehmenszielen auf die Beschäftigten. Dazu werden diese Umsatz – oder Renditeziele in Bereichsziele zerlegt. Die werden dann weiter aufgeschlüsselt und dezentralisiert. Jedes Team, jeder Beschäftigte soll möglichst detaillierte und präzise formulierte Ziele bekommen, die er/sie oder das Team erfüllen sollen.

Die Beschäftigten werden dadurch für Ziele in die Verantwortung genommen, die ohne ihre Mitwirkung zustande gekommen und für die nicht sie selbst, sondern Management beziehungsweise Unternehmensleitungen verantwortlich sind. Am Ende soll die Summe der Einzelziele das vorher von der Unternehmensleitung festgelegte Renditeziel erreichen.

Das responsible Element in der Methode ist die Vereinbarung. In dieser erklären sich die Beschäftigten zur Verantwortungsübernahme bereit. Gleichzeitig wird ein Raum für eigenverantwortliches Handeln geschaffen, in dem es den Beschäftigten selbst überlassen bleibt, wie sie in der vereinbarten Geltungsdauer dieser Vereinbarung ihre Arbeit organisieren. Sie können also selbstständig werden, sie dürfen – mit den Worten Chamayous – sich selbst regieren.

Indem diesen signalisiert wird, sie könnten durch Erfüllung der Vereinbarung einen substanziellen Beitrag zur Zukunft des Unternehmens und zur Sicherung ihres eigenen Arbeitsplatzes leisten, erfolgt eine subtile Moralisierung der Beschäftigten. Hinzu kommt die Bindungswirkung einer getroffenen Vereinbarung.

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