Nationalistisches Echo: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“


Thomas Moser | Overton

Fußball-Fans von Galatasaray Istanbul rufen in Stuttgart „Ausländer raus“.Video: Nius

„Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ zu rufen, wird als „rassistisch“ angeprangert. Dabei ist es zunächst vor allem eines: „nationalistisch“. Das ist deshalb nicht unerheblich, weil es zur Politik dieser Zeit passt und gemeinsame Schnittmengen mit ihr aufweist. So der Corona-Nationalismus, dem der Kriegs-Nationalismus folgte.

Nationalismus zielt vor allem nach innen auf die Verhältnisse im eigenen Land. Er ermöglicht die Verfügungsgewalt der staatlichen Exekutive über das Individuum, hier als Impfpflicht, dort als Kriegspflicht. Vielleicht wird beim Leitpersonal dieser Republik deshalb nicht von „nationalistischem“ Gegröle gesprochen, sondern nur von „rassistischem“, damit dieser Zusammenhang mit der eigenen Politik nicht auffällt.

Dem Skandal von Sylt, wo Ballermänner und -frauen die zitierten Worte riefen, folgten schier täglich Berichte über ähnliche Vorfälle. In Altendorf, Löningen bei Cloppenburg, Erlangen, Furtwangen, Tuttlingen, Stulln in Niederbayern. Eines der zuletzt bekanntgewordenen Beispiele ist Erkner bei Berlin. Manche geschahen nach Sylt, möglicherweise als Nachahmung, andere hatte es schon lange davor gegeben. So am 1. Mai in Nagold, oder auch schon im Februar im bayerischen oder baden-württembergischen Fasching.

Unterstreichen die nationalistischen Sprüche die Notwendigkeit der sogenannten Demos gegen rechts? Oder sind sie umgekehrt etwa eine Reaktion auf diese Demos, die von zweifelhafter Doppelmoral geprägt sind, weil sich die Regierungsparteien dabei als Demokratieverteidiger inszenieren, während ihnen die Grundrechte unter Corona keinen Pfifferling wert waren.

Wenn „Ausländer“ „Ausländer raus“ rufen, wer soll dann eigentlich gemeint sein?

Doch dann kam ein Beispiel dazu, das überhaupt nicht in die Reihe passen will und das die Debatte verändert. In Stuttgart trafen sich Fans des türkischen Fußballvereins Galatasaray Istanbul, um auf dem Schlossplatz dessen Meisterschaft zu feiern. Und dabei wurde ebenfalls „Ausländer raus, Ausländer raus“ gerufen.

Die Hüter der reinen Lehre waren irritiert. Was wollen diese Türken beziehungsweise Deutsch-Türken der bereits zweiten, dritten oder gar vierten Einwanderergeneration? Meinen sie mit „Ausländer raus“ etwa die später gekommenen Migranten, zum Beispiel die Geflohenen seit 2015? Grenzen sich also frühe Migranten von späten Migranten ab? Was aber nichts an möglichem Rassismus und Nationalismus ändern würde. In den Leitparteien und Leitmedien konnte man diese komplizierte Diskussion glücklicherweise erst einmal auf Eis legen mit dem Hinweis, Polizei und Staatsanwaltschaft würden eine Strafbarkeit prüfen beziehungsweise die Echtheit der Videos.

Das Video von den schwäbischen Galatasaray-Fans in Stuttgart erscheint schon nicht sonderlich ernsthaft, und wenn man jemanden fragt, der bei der Feier dabei war, sagt der ganz unverstellt: Die Rufe seien Ironie gewesen, man habe sich über die Vorkommnisse von Sylt lustig machen wollen. Er räumt ein, dass man darin auch eine Art Provokation sehen kann.

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