Verstehen heutige Theologen die Bibel besser oder weniger gut?


Volker Dittmar | Richard-Dawkins-Foundation

Märchen-Bibel (Bild: Twitter/Caleb Kaltenbach)

Ich könnte mir vorstellen, dass dies der rote Faden ist, der sich durch das Christentum zieht: Viele meinen, sie wüssten besser Bescheid als alle anderen. Alle vorher haben sich geirrt, und obwohl man auf denen aufbaut, weiß man es jetzt endlich besser! Das nennt man übrigens pessimistische Induktion. Man hält sich selbst für irrtumsfrei, obwohl man genau weiß, dass sich alle Menschen vorher geirrt haben. Weil man eigene Fehler nicht bemerkt, meint man, man sei frei von ihnen. Das ist in etwa so, als wenn ich sage: Ich weiß, dass es im menschlichen Auge einen blinden Fleck gibt. Ich weiß, dass alle Menschen den haben. Aber da ich meinen nicht sehen kann, habe ich auch keinen. Glasklare Logik, nicht wahr?

Die Bibelexegese ist mit Fallen gepflastert. Die eine Falle ist, dass man, obwohl verschiedene Autoren mit verschiedenen Ansichten die Texte verfasst haben, man versucht, sie zu harmonisieren. Man liest in sie hinein, dass alle Autoren dieselbe Meinung hatten, was zwar erkennbar falsch ist, aber man tut so als ob. Dann meint man, dass die Bibel über jede Kritik erhaben ist, weil man selbst zur Kritik unfähig ist. Obwohl schon die ersten Interpreten der Bibel diese nicht wörtlich verstanden haben, meint man, man könne sie wörtlich verstehen. Zumindest in Teilen, einige sind sogar der Ansicht, dies sei durchgehend der Fall!

Man versteht also Teile der Bibel als mythologisch, und meint, man habe die einzig richtige metaphorische Verstehensweise. Das ist purer Unsinn, zum einen dienen Mythologien dem Verständnis einer Sache. Man konnte sich nicht erklären, warum Menschen trotz eines perfekten Gottes nicht in einer perfekten Welt leben, also deutete man die Genesis-Geschichte als eine Erklärung. Es gibt aber einen riesigen Unterschied zwischen einer mythologischen Deutung und einer echten Erklärung. Beides schließt einander aus.

Dann ignoriert man etwas, was für das Verständnis eines jeden Textes wesentlich ist: die Autorenintention. Das ist die Frage: Was wollte der Autor den Lesern seiner Zeit mitteilen? Wer nicht wenigstens versucht, das zu verstehen, kann einen Text kaum verstanden haben!

Sowohl heutige Theologen, jedenfalls die kirchlich bestallten, als auch die Kirchenväter und Scholastiker, haben diese Frage meist komplett ignoriert. Erst die Radikalkritiker haben damit angefangen, sodass ich meine, dass diese generell ein viel besseres Verständnis der alten Texte haben. Diese haben auch herausgefunden, wie sehr die Bibel über die Zeit verändert wurde. Das kann man nicht bemerken, wenn man damit beschäftigt ist, die Texte zu harmonisieren.

weiterlesen