Fakt: Denkstunde – Diskurs über die Krise


Marx
Allerorts rote Tücher. Als hätte es nie Marx gegeben.

Wir denken besser selber nach! Fehldiagnose führt zu Fehlbehandlung. Die Krise ist da. Und mit ihr das Heer der Heilkünstler. Den Finger besserwissend im Wind. Nun sind sie da, die Krise, ihre Symptome, die Heilkünstler und ihre vernebelnden

Erklärungsmodelle: Wie höre ich da hoch hüpfen, die Wissenden. Krisen kämen von Überproduktion, durch Verzocke, als allgemeine Krise des Kapitals oder als zyklische Krisen kapitalistischer Berg- und Talfahrt. Aus einer Enzyklopädie1 hole ich mir die Weltwirtschaftskrise: „Bezeichnung für eine heftige oder andauernde wirtschaftliche Krise, die nicht auf einen einzelnen Staat beschränkt bleibt, sondern zu einem umfassenden Zusammenbruch in allen Teilen der Weltwirtschaft führt. Gemeinhin wird mit dem Begriff Weltwirtschaftskrise jener Konjunktureinbruch bezeichnet, der in den Jahren 1929 bis 1933 die Weltwirtschaft in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß traf und zur größten wirtschaftlichen Katastrophe der Neuzeit wurde… Die Krise von 1929 bis 1933 betraf vor allem die USA und Deutschland. Ein unbändiger Konjunkturoptimismus und der Glauben an eine anhaltende Prosperität der amerikanischen Wirtschaft führte in den USA zu umfangreichen Aktienspekulationen (zwischen 1927 und 1929 verdoppelten sich die Aktienkurse). Am Freitag, dem 25. Oktober 1929, dem so genannten Schwarzen Freitag, kam es in New York zu massiven Kursstürzen und in der Folge zum Konjunktureinbruch. Liquiditätsschwierigkeiten sorgten für Kündigungen von Krediten in den USA und zu Rückrufen der nach Europa gegebenen, zumeist kurzfristigen Kredite. Davon war vor allem Deutschland betroffen, das sich – zur Erfüllung von Reparationsverbindlichkeiten und zur Modernisierung der durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse entwerteten Produktionsanlagen -, im Ausland hoch verschuldet hatte. In Deutschland führte diese Entwicklung zu einer schweren Bankenkrise, zu zahlreichen Konkursen sowie zu Massenarbeitslosigkeit (1932 rund sechs Millionen)…“ und zum Friedenschaffen2.

Viel „moderne“ Lösungswege: Keynes´sche Globalregulierung3, Friedmannscher Geldmengenausgleich4, Samuelsons Formelland5, Tinbergens Politikross6 etc. pp. – 2009 nicht zu unterschlagen, der neulinke Nationalstaat – Sozialismus ohne Sozialismus, doch mit starkem Nationalkapital7.

Allerorts rote Tücher. Als hätte es nie Marx gegeben. Kein Geldumlaufgesetz8, kein tendenzieller Fall der Profitrate9, kein Krisenkreislauf10, aber – was tausendmal unverzeihlicher ist – wenig Nachdenken über vorhandenes Wissen und böse Erfahrungen.

Krisen umschwirren das Kapital, wie die Motten das Licht. Je nachdem wie man sie ordnet, mehr oder weniger als ein Dutzend zu Marx Zeiten.

Und dementsprechend beschäftigen sich auch seine Arbeiten recht umfassend mit der Analysis von Krisen. Kapitalistischer Praxis ordnet Marx den gesetzmäßigen ökonomischen Kreislauf zu: mittlere Lebendigkeit – Prosperität – Überproduktion – Krise – Stagnation.11

Nichts ist alldem hinzuzufügen. Bis auf die lapidare Tatsache, dass der Staat zum Kapital gehört. Er hat keine eigenständige Funktion. Sein Platz ist im wirtschaftlichen System. Ohne Wenn und Aber.

Reguliert der kapitalistische Staat12, so reguliert er nur die Geschwindigkeit der Aufeinanderfolge des Krisenkreislaufs. Er beseitigt weder dessen Ursachen, noch dessen Gesetzmäßigkeit noch wird aus ihm ein liberaler- oder sozialer Rechtsstaat.

Bewegte sich kapitalistische Produktion ausschließlich im Wechsel von Konjunktur und Rezession, wären ihre ungezogenen Regularien nur Angebot und Nachfrage, wäre der Krisenkreislauf zu verschmerzen.

Kapital strebt aber unabhängig frommer Wünsche zum Maximalprofit. Dessen Expansionsstreben löst es von den Interessen der Produzenten und den Interessen der Besitzer der Produktionsmittel gleichermaßen. Das Gesetz kommunikativer Effizienz13, das Universalgesetz des Universums, kommt hier zum Tragen. Kapital kennt weder Moral noch humane Werte noch Nationalstolz. Der ökonomische Krisenkreislauf muss daher um seine politische Komponente erweitert werden, die gnadenlose Schaffung der Bedingungen zur Maximalprofitumsetzung.

Der komplette Krisenkreislauf schließt sich daher nicht nur mit dem Krieg, sondern seine materielle und personelle Vorbereitung begleiten den Kreislauf14 ständig. Im Zustand „mittlerer Lebendigkeit“ oder im Zustand „wachsender Belebung“ bricht kein Krieg aus, da ist er kräftig in Vorbereitung. In den folgenden Phasen jedoch ist der Griff des Kapitals zum Krieg sehr wohl möglich und damit auch abhängig von Handeln und akuten Interessenlagen.

Mit dem Verlottern eines Teils des Geldes vom allgemeinen Warenäquivalent im Ware – Geld – Ware Zyklus zum Spekulationsgegenstand geschieht jedoch eine Verwandlung des Geldes vom allgemeinen Zirkulationsmittel zum allgemeinen Spielgegenstand. Das Geldwertgesetz der Produktion wird unterwandert, indem dem Geld der Warenwert entzogen wird. Zwischen dem allgemeinen Zirkulationsmittel und dem allgemeinen Spielgegenstand Geld bestehen Welten. Der Spielgegenstand verlässt den Produktionskreislauf, wird Spekulationsobjekt neben ihm und als solches, da für ihn quasi gesellschaftlich wertlos, aus ihm ausgegliedert.

Verbindlichkeiten, deren gesellschaftliche „Schuld“ im Ware – Geld – Ware Kreislauf unbedingt bedient werden muss, weil z.B. Produktions- und Lieferzeitunterschiede sie als Warenwerteäquivalente widerspiegeln, verkommen im Spekulationsgeschäft zum „Ehrengeschäft“ der Spielschuld.

Wird dieses „Ehrengeschäft“ vom Verlierer nicht bedient, oder vom Gewinner nicht eingefordert, so ist das für den sozialen Lebensprozess der Partner belanglos, da dessen Verbindlichkeiten keiner Leistung entspringen. Bediente Verbindlichkeit eines Spekulationsgeschäfts führt zwar zur Kapitalanhäufung auf der einen und zur Kapitalabnahme auf der anderen Seite, aber sie führt nicht zu Warenwertzunahme oder -abnahme.

Die Kumulation von Spekulations- oder Scheinkapital wird in Verbindung mit Verbindlichkeiten gegenüber leistungshinterlegtem, realem Kapital zur Gefahr, wenn ihre Verbindlichkeiten gleichberechtigt bedient werden. Scheinkapital avanciert dann zur politischen Gewalt. Juristisch dem Leistungskapital gleichgestellt, kann es auch dessen politischen Machtfunktionen ausüben. In den sonst relativ gleichmäßigen Krisenkreislauf, schleicht sich das Moment subjektiver, bewusster Schaltfunktion.

Sie ermöglicht das bewusste Auslösen einer Krise. Netzwerke, Macht besitzende Seilschaften werden in die Lage versetzt, Zeit, Region und Umfang der Krisenmomente zu steuern. Das Auslösen einer Krise durch asoziale elitäre Interessengruppen wird möglich.

Die lancierte Krise greift in die Realwirtschaft ein, bedient Verbindlichkeiten. Sie wäscht, durch nationales und internationales Recht gestützt, Spekulationsverbindlichkeiten in ökonomische Verbindlichkeiten.

Politische Verwaltungseinheiten werden zu Geldwaschanlagen. Eine auf den Schultern der rechtschaffenen Masse, ohne Rücksicht auf deren Verluste abzielende, internationale Neuordnung der Finanz- und Kapitalmärkte im Interesse weniger Seilschaften ist die Folge.

Dies ist heutiges Bild des Krisengeschäfts und das war 1929 der Auslöser des nachfolgenden „Weltwirtschaftsspiels“.

Man muss somit das (objektiv) ökonomische Krisengefüge kapitalistischer Produktionsweise (allgemeine und zyklische Krise) um den Begriff der (subjektiv) politischen Zweckkrise erweitern (eine Fehldiagnose der Krise führt mit Notwendigkeit zu ihrer Fehlbehandlung).

Einer subjektiven Zweckkrise zur gnadenlosen Neuordnung der Märkte im Interesse konkreter Seilschaften ist aber nicht beizukommen durch Rettungspakete. Sie kommen jenem zugute, der die Krise auslöste, versetzen ihn mit dem Kapitalgewinn aus Rettungshand15 in die Lage früher oder später noch konsequenter, noch brutaler, noch gnadenloser die Masse für seine Ziele zu missbrauchen.

Eine Verstaatlichung einer Bank wäre somit nur stabilisierender Zwischenschritt zu erneuter Privatisierung, die Förderung nationaler Wirtschaft nur Bereicherung privater Wirtschaft.

Die Zweckkrise kann nur aufgerieben werden durch die totale Ignoranz und Aufkündigung bestehender Spekulationsverbindlichkeiten, durch das allgemeine Spekulationsverbot mit Warenwerten und Warenwertäquivalenten“ letztendlich nur durch das Zerschlagen jeglicher Börsenstruktur.

Das käme einer grundlegenden Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse gleich. Dies aber kann der Staat des Kapitals nicht leisten, da er dadurch aufhören würde, Staat des Kapitals zu sein.

Einer Zweckkrise kann weder Einhalt, noch soziale Mäßigkeit verordnet werden durch Ankurbeln nationaler Wirtschaft, da das Finanz- und Industriekapital, das sie in Gang setzte, objektiv imperial agiert und mit ihr (mit der Zweckkrise) keinerlei nationalen Interessen verfolgt.

Das nationale Interesse einer Zweckkrise erwächst nur aus der feigen Minderheit geringem Kampfwert. Sie benötigt die Masse, um ihre Taschen und die Kampffelder zu füllen. Da ihre Opfer immer als Verlierer enden, also kein Eigeninteresse an der Durchsetzung der Interessen elitärer Seilschaften haben können, ist das Nationalgejaule einzige Möglichkeit, den Tod mit Vorteil der Masse schmackhaft zu machen.

Für all das gibt es das abschreckende Komplettbeispiel der Zweckweltwirtschaftkrise von 1929 bis 1945. Sie hat den Seilschaften ihrer Verursacher und zugleich Nutznießer (die bis heute weder akkurat benannt noch für ihre Verbrechen abgestraft sind), mittels ihres Stimm-, Melk- und Schlachtviehs, die Weltmärkte neu geordnet und jenen unermesslichen Gewinn gebracht, der sie periodisch zu teuflischem Tun anspornt.

Und die Moral von der Geschicht´: 1) Krisen und „Friedenschaffen“ sind Begleiter kapitalistischer Produktion und als solche unter kapitalistischen Verhältnissen jedweder Art unvermeidlich. 2) Will man ihrer ledig werden, muss man die kapitalistischen Umstände hinwegfegen. 3) Zweckkrisen sind eigentlich keine Krisen, sondern Mittel der Politik16 im Gefüge von Krise und Krieg. 4) Hätte das Volk Entscheidungsgewalt, könnte es hin und wieder seinem Missbrauch möglicherweise temporär begegnen, indem es dem Sozialgeschrei des Finanz- und Industriekapitals nicht auf den Leim ginge und deren Spekulationsverbindlichkeiten absolut ignorieren würde. 5) Das hebelt jedoch Satz Nummer zwei nicht aus. 6) Das Volk kann Krisen- und Kriegsgeschäft nie begegnen, indem es den Seilschaften ihrer Verursacher und Nutznießer finanziell und mit nationaler Opferbereitschaft unter die Arme greift.


1 Encarta Enzyklopädie, 1999, Weltwirtschaftskrise (kursiv: eigene Hervorhebungen)

2 A. Hitler, 6. 10. 1939, Auszug aus der Siegesrede nach dem Polenfeldzug: „Als Führer des deutschen Volkes kann ich in diesem Augenblick dem Herrgott nur danken, dass er uns in dem ersten schweren Kampf um unser Recht so wunderbar gesegnet hat und ihn bitten, dass er uns und alle anderen den richtigen Weg finden lässt, auf dass nicht nur dem deutschen Volk, sondern in ganz Europa ein neues Glück des Friedens gedeihen wird.“

3 John Maynard Keynes, Theorie alleiniger Rezessionsbeendigung durch globalgesteuerte staatliche Zugriffe, wie Steuersenkung, Kaufkraftbelebung, Staatsausgabenerhöhung etc.

4 Milton Friedmann, Theorie des Monetarismus, fordert die Geldmengenregulierung durch den Staat, um Rezession und Inflation zu verhindern

5 Anthony Samuelson, Formelsammlungen zur Berechnung von Wirtschaftphänomenen

6 Jan Tinbergen, Theorie der Priorität vernünftiger Politik für optimale und soziale Wirtschaft

7 siehe Thesen von „Die Volksinitiative“, Februar 2009, http://www.volks-initiative.info

8 Karl Marx, Das Kapital, Erster Band, MEW, Bd. 23, S. 133 (Preissumme der Waren dividiert durch Umlaufanzahl gleichnamiger Geldstücke = Masse des als Zirkulierungsmittel fungierenden Geldes)

9 Karl Marx, Das Kapital, Dritter Band, MEW, Bd. 221 ff. (was gesellschaftlichen Wohlstand fördert gerät in Konflikt mit den privatkapitalistischen Interessen, es lässt die Profitrate sinken, weil der Gegenstand gesellschaftlicher Arbeit objektiv die Entwicklung des gesellschaftlichen Wohlstandes ist / „Die progressive Tendenz der allgemeinen Profitrate zum Sinken ist also nur ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümlicher Ausdruck für die fortscheitende Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion der Arbeit.“ S. 223)

10 Karl Marx, Lohn, Preis, Profit, MEW, Bd. 16, S. 145 („…sich in bestimmten periodischen Zyklen bewegt. Sie macht nacheinander den Zustand der Stille, wachsender Belebung, Prosperität, Überproduktion, Krise und Stagnation durch.“)

11 Karl Marx, Das Kapital, Erster Band, MEW, Bd. 23, S. 476 („Das Leben der Industrie verwandelt sich in einer Reihenfolge von Perioden mittlerer Lebendigkeit, Prosperität, Überproduktion, Krise und Stagnation.“)

12 Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, MEW, Bd. 21, S. 165 („Der Staat ist… das Eingeständnis, dass sich diese Gesellschaft in einem unlösbaren Widerspruch mit sich selbst verwickelt, sich in unversöhnliche Gegensätze gespalten hat, die sie zu bannen ohnmächtig ist. Damit aber diese Gegensätze, Klassen mit widerstreitenden ökonomischen Interessen nicht sich und die Gesellschaft in fruchtlosem Kampf verzehren, ist eine scheinbar über der Gesellschaft stehende Macht nötig geworden, die den Konflikt dämpfen, innerhalb der Schranken der ‚Ordnung‘ halten soll; und diese, aus der Gesellschaft hervorgegangene, aber sich über sie stellende, sich ihr mehr und mehr entfremdende Macht ist der Staat.“)

13 F.F.H. Fakt, Das Gesetz des Universums, Pest, Banditen, S. 520 ff., www.raubgewinn.com

14 ebenda, Aggressionskreislauf, S. 647

15 siehe Rettungspaket vom 23. März 1933, „Gesetz zur Belebung der Not von Volk und Reich“

16 nach Carl von Clausewitz: „Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“

20 Comments

  1. @lena,
    Gesetze müssen sein, auch wenn – was ich hoffe – der gemeinschaftliche Geist aufgeklärt wächst. Doch wenn irgendwo auf der Welt eine Gemeinschaft funktioniert, Menschen allein aufgrund von Gesetzen und Straf-Vorschriften zum Wohl der Gemeinschaft gewirkt haben, dann ist mir was entgangen.

    Auch bei ökologischen Vorschriften konnte ich bisher nur gegenseitige Vorwürfe und Verlangen feststellen. Trotz des Wissens um die Notwendigkeit. Und die Plakte im Osten, die neben die Gesetzen geklebt wurden, haben selbst eingefeischte Kommunisten nicht dazu bewegt, echt im Sinne der Gesamtheit zu arbeiten.

    Wenn ich als Verantwortlicher eines per Gesetz zum Gemeinwohl verpflichtenden Unternehmens nicht wüsste, dass Gesetze allein nicht reichen – gerade weil alles miteinander verbunden ist, inzwischen weltweit – würde ich mir keine Gedanken über einen Geist machen, der (so wie ich es auch am Anfang unserer Geistesgeschichte sehe) nicht Stammensgöttern dient, sondern eines aufgeklärt zu beobachtenden weltweit anerkannten kreativen=schöpferischen Prozesses: Der empirisch zu beobachtenden optierenden Evolution.

    (Von antiken Glaubensaufklärern als kreative Vernünftigkeit, ewiges Wort verstanden.)

    Like

  2. Im letzten Absatz sollte es heißen:
    „Allerdings kommen wir mit dieser Vorstellung nicht sehr weit.“

    Like

  3. @theologie-der-vernunft.de

    hinter allen Unternehmen, Märkten und Kapitalegoismen stehen handelnde Menschen. Und schon bei den alten Griechen ging es in der philosophischen Theologie um die Frage, wie frei funktionierende Gemeinschaften von bewussten Wesen, die weder einem gemeinsamen Menschenkönig, noch traditionsvorgesetzten metaphysischen Göttergestalten dienen, zu machen sind.

    Für Menschen haben Gesellschaften dazu ein umfangreiches Regelwerk entwickelt. Wir wissen beispielsweise, dass viele Menschen keine Steuern mehr bezahlen würden, wenn sie nicht müssten. Also haben wir dafür gesorgt, dass sie müssen. Auch würde es zu vermehrtem Diebstahl kommen, wenn so etwas nicht verboten wäre und geahndet würde. Als Mensch kann ich mir zwar vielleicht im Urlaub ein Land aussuchen, in denen Dinge erlaubt sind, die in meinem Heimatland verboten oder zu teuer sind, aber zunächst einmal bin ich an das Regelwerk meines Heimatlandes gebunden.

    Viele Unternehmen sind jedoch heute global. Sie können sich überall die günstigsten Kondititionen aussuchen und sie sogar manchmal gegenüber Regierungen durchsetzen. Ein Management, welches nicht die Chance nutzt, 1 Mrd. Dollar Steuern durch Off-Shore-Versteuerungen zu sparen, würde recht bald abgelöst, weil es dem Unternehmen Schaden zufügt. Selbst der Arbeiter am Fließband würde sagen: „Wenn das die Konkurrenz macht, müssen wir das auch tun.“ Denn jeder Kostennachteil gegenüber der Konkurrenz würde sich letztlich auch negativ für ihn auswirken.

    Hinter einem Unternehmen stehen u. a. alle Mitarbeiter, die mit ihm ihre Brötchen verdienen. Es entwickelt auf dieser Basis genauso ein Eigenleben, wie ein Organismus, hinter dem ein paar Billionen Zellen stehen. Wenn wir bei uns morgen Umweltgesetze verabschieden würden, die eine chemische Produktion für BASF in Deutschland quasi unmöglich machen würde, würden übermorgen die BASF-Arbeiter auf die Straße gehen und für die Interessen ihres Unternehmens (und damit für sie selbst) eintreten.

    Dass hinter Unternehmen stets handelnde Menschen stehen, ist richtig. Allerdings kommen wir mit dieser Vorstellung sehr weit. Globale Märkte brauchen globale Regelwerke, sonst gehört diese Welt einzig den Unternehmen, und diese werden sie wohl restlos plündern. Jedenfalls ergibt sich das aus der Erkenntnis, dass Märkte Lebensräume sind, in denen Unternehmen evolvieren.

    Like

  4. @lena,
    hinter allen Unternehmen, Märkten und Kapitalegoismen stehen handelnde Menschen. Und schon bei den alten Griechen ging es in der philosophischen Theologie um die Frage, wie frei funktionierende Gemeinschaften von bewussten Wesen, die weder einem gemeinsamen Menschenkönig, noch traditionsvorgesetzten metaphysischen Göttergestalten dienen, zu machen sind.

    Und genau vor dieser Frage stehen wir heute wieder. Mit Marx oder idealistischen Humanismuspredigten ist das so wenig zu machen, wie mit einer Naturnorm, die in der freien Wildbahn wunderbar funktioniert. Das haben wir gelernt. (?) Das Evangelium des neoliberalen Konsum- und Kapitalegoismus hat sich als untauglich erwiesen. Die Aufklärung muss im Sinne der Evolution (der ständig abgestritten wird) weitersuchen. Nur alte Göttergestalten vom Sockel zu werfen, das griff schon bei den Griechen zu kurz.

    Diese dachten daher im antiken Monismus über eine Weltvernunft, gemeinsame schöpferische Logik nach und brachten diese dann mit dem monotheistischen Wort-Verständnis auf einen Nenner. Und genau dieser wäre m.E. in aufgeklärter Weise neu zu verstehen, als zeitgemäße kreative=schöpferische Logik/evolutionäre gemeinsame Sinnhaftigkeit zu vergegenwärtigen.

    (Auch wenn man mich für verrückt hält, weil man nicht selbst heute vorhandenes Wissen auswertet, sondern alte Glaubens-Ansichten übernimmt, handelt m. E. davon das NT. Die geisteswissenschaftliche Aufklärung, die bisher nur Götter verjagte, sich auf alte Denker oder persönliche Beliebigkeiten berief, ist noch im vollen Gange.)

    Like

  5. @theologie-der-vernunft.de

    „Wenn alle Welt nach dem Zusammenbruch der Finanzmärkte und dem totalen Vertrauensschwund, der die gesamte Weltwirtschaft mitreißt, nicht nur im Kreditgewerbe nach ‚Gemeinorientierung‘ gerufen wird, muss dann im Sinne einer Weiterentwicklung nicht gefragt werden, wie diese aufgekärt zu machen ist?“

    Ich halte das aber nicht nur für eine Sache der Aufklärung. Zunächst wäre einmal die evolutionäre Perspektive zu erweitern. Wenn man erkennt, dass Unternehmen quasi lebende Systeme sind, die sich in separaten Lebensräumen – den Märkten – adaptieren, dann folgt aus der evolutionären Sicht heraus unmittelbar: Unregulierte Märkte (Neoliberalismus) bringen ganz andere Unternehmen hervor als regulierte Märkte, in denen sozusagen die Lebensbedingungen der Unternehmen verändert wurden.

    Unternehmen sind stärker als Menschen. Wenn wir sie nicht in Schranken verweisen, sondern darauf hoffen, dass sie sich auf freien Märkten selbst regulieren, dann werden sie die Erde restlos erschöpfen und das Leben für die Menschen unterträglich machen.

    Marx vertrat hier eine Extremposition, indem er diese Märkte quasi in Gänze abschaffen wollte. Die Frage ist, ob es auch Alternativen zwischen den beiden Extremen Neoliberalismus und Marxismus gibt. Voraussetzung für eine Lösung ist aber m. E. zunächst, dass man mit dieser evolutionären, systemtheoretischen Sichtweise an das Problem herangeht. Auch Luhmann betrachtete Unternehmen ja bereits als soziale Systeme (Organisationssysteme), denen man nicht mit Moral kommen könne. Wenn, dann müsse man sie in deren Sinnzusammenhang ansprechen, d.h. der Ökonomie. Das ist eine weitere systemtheoretische Auffassung, die aber im Grunde etwas recht Ähnliches meint.

    Unabhängig davon gibt es in unserer Gesellschaft eine ganze Reihe anderer Tabus und Ideologien, auch unter Menschen, die sich für aufgeklärt halten. Dazu zähle ich z. B. den Gleichheitsfeminismus, auch bekannt als antibiologistischen Feminismus, der sich in unserer Gesellschaft gegenüber dem Differenzfeminismus klar durchgesetzt hat, obwohl dessen Kernaussagen mit Basiserkenntnissen der Evolutionsbiologie und der Soziobiologie nicht vereinbar sind. Anders gesagt: Wir haben auch andere (religionsähnliche) Ideologien, die sich über naturwissenschaftliche Erkenntnisse salopp hinwegsetzen, wenn diese den eigenen Interessen widersprechen. Ich halte den Gleichheitsfeminismus für einen weiteren Quell der allseits beobachtbaren fehlenden „Gemeinorientierung“. Hinzu kommt, dass er zu offensichtlich den Interessen der Wirtschaft genügt, weswegen sich der Verdacht aufdrängt, er könnte auch deshalb öffentlich gefördert werden.

    Like

  6. Evolution ist aus Fehlern zu lernen, auch in Sachen Kultur.

    Doch was haben wir gelernt. Dass die Sache Marx nicht funtionierte, wissen wir seit dem Mauerfall. Jetzt, nach dem Zusammenbrechen eines Misswirtschaft verursachenden Kapitalegoismus nach Kommunismus zu rufen, kann doch nicht im Sinne einer evolutionären Entwicklung sein.

    Wenn alle Welt nach dem Zusammenbruch der Finanzmärkte und dem totalen Vertrauensschwund, der die gesamte Weltwirtschaft mitreißt, nicht nur im Kreditgewerbe nach „Gemeinorientierung“ gerufen wird, muss dann im Sinne einer Weiterentwicklung nicht gefragt werden, wie diese aufgekärt zu machen ist?

    Like

  7. @Robert

    Gern geschehen. Ich sehe gerade, dass ein Heinzelmännchen unsere Beiträge freundlicherweise entschachtelt hat. Ich glaube, da haben wir die Strukturierung der Website an ihre physikalischen Grenzen gebracht. Ich hoffte allein schon auf eine Antwort, um zu sehen, was nun passiert, und ob der nächste Beitrag nur noch aus einzelnen Wörtern pro Zeile besteht.

    Eine Frage habe ich noch. Einige rücken Absätze ein oder schreiben kursiv. Geht das mit den normalen HTML-Zeichen oder ist das hier irgendwo sonst erklärt?

    Like

  8. @ [C]Arrowman

    „Dem Artikel hätte weniger Verschwörungstheorie gut getan.“

    Sehe ich auch so.

    „Hinter Geschäften stehen immer Menschen.“

    Das sehe ich anders. Unternehmen sind Systeme, die sich in ihren Lebensräumen (den Märkten) adaptieren, und zwar auf evolutive Weise. Sie stehen mit ihren Wettbewerbern (= Variation) im Wettbewerb um die Ressourcen des Lebensraums (= Geld). Für sie gelten folglich die gleichen Gesetze wie für Lebewesen.

    Aus diesem Grund ist der Satz „hinter Organismen stehen immer Zellen“ genauso wenig erhellend wie der Satz „hinter Geschäften stehen immer Menschen“.

    Ein Markt ist letztlich ein Lebensraum (Evolutionsraum), in dem Unternehmen (Superorganismen) evolvieren. Stehen genügend Ressourcen (Geld, Rohstoffe etc.) zur Verfügung, geht es den meisten Individuen (Unternehmen) gut und sie können sich munter entwickeln (wachsen). Stellt sich ein Ressourcenengpass ein, kommt es dagegen zum Kampf ums Dasein. Ggf. gehen dann viele Individuen (Unternehmen) zugrunde, andere müssen sich verschlanken.

    Ein Vorteil der Marktwirtschaft ist: Sie ist sehr innovativ. Das hat der Systemvergleich Marktwirtschaft vs. Sozialismus klar gezeigt. Zahnpasta mit Streifen gab es zuerst im Westen. Die Amis waren zuerst auf dem Mond.

    Ein Nachteil der Marktwirtschaft ist: Sie ist sehr verschwenderisch. Ein anderer: Bei Ressourcenengpässen kommt es zum Kampf ums Dasein.

    Marx wollte u. a., dass diese Evolutionsräume mit im Wettbewerb stehenden Unternehmen (= Variation) erst gar nicht entstehen können. Hierdurch unterbindet er die durch Wettbewerb entstehende Innovation (d. h. Evolution). Hierdurch unterbindet er aber auch den eigendynamischen evolutiven Prozess der Märkte, der ja in der Lage ist, eigendynamisch die ganze Welt zu plündern (Verschwendung, Plünderung von Ressourcen etc.), und zwar ganz einfach dadurch, dass sich Unternehmen in ihren Lebensräumen erhalten wollen. Dieses Erhalten-wollen ist nur mit Wachstumsbestrebungen möglich: Man muss rennen, um auf der Stelle stehen zu bleiben (Red-Queen-Hypothese).

    Neolibearlismus und Marx sind somit zwei Extrempositionen: Auf der einen Seite der unregulierte Markt (Evolutionsraum), in dem Unternehmen wie in der wilden Natur evolvieren, frei nach dem Motto „fressen und gefressen werden“. Auf der anderen Seite das Unterbinden solcher Evolutionsräume, mit gewissen Vor-, aber auch erheblichen Nachteilen. In der Wachstumsphase (kein Ressourcenmangel) ist ganz eindeutig der Markt im Vorteil. Bei Ressourcenengpässen läuft er dagegen sehr leicht gegen die Wand und es knallt.

    Die Frage ist: Gibt es auch einen erträglichen Mittelweg? Können Märkte so reguliert werden, dass die gravierendsten Vor- und Nachteile der beiden Extrempositionen (Neoliberalismus, Marx) vermieden werden können? Ist z. B. eine ökosoziale Marktwirtschaft denkbar, oder ist das ein Fake?

    Like

    1. Schon lange nicht mehr so einen Kappes gelesen.
      Ohne Menschen keine Unternehmen. Unternehmen existieren nicht ohne den Menschen. Als die ersten Firmen das Licht der Welt erblickten, hatte der Mensch bereits 95% seiner Evolution hinter sich.
      Empfehlung: die unter Punkt 12 angegebene Quelle, F. Engels, „Die Enstehung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ zu studieren.
      Den sozial-darwinistischen Unsinn mag man gar nicht weiter interpretieren.
      Lena, es gibt zwei Möglichkeiten, entweder hast du bei Darwin etwas falsch verstanden oder die Grundlagen der Volkswirtschaftlehre nicht begriffen.

      Like

    2. @nickpol

      „Ohne Menschen keine Unternehmen.“

      Ohne Zellen keine Organismen.

      „Unternehmen existieren nicht ohne den Menschen.“

      Ja und? Schon mal etwas von Systemtheorie und emergenten Eigenschaften gehört, die sich in Systemen ausbilden können, und die nicht auf die Eigenschaften der Elemente zurückgeführt werden können? Das ist eigentlich fast Basiswissen.

      „Als die ersten Firmen das Licht der Welt erblickten, hatte der Mensch bereits 95% seiner Evolution hinter sich.“

      Als die ersten Organismen das Licht der Welt erblickten, hatten die Zellen bereits 99% ihrer Evolution hinter sich. Was willst du damit sagen?

      „Den sozial-darwinistischen Unsinn mag man gar nicht weiter interpretieren.“

      Wo hattest du Sozialdarwinismus gesichtet? Weißt du überhaupt was das ist? Ich möchte es bezweifeln.

      „Lena, es gibt zwei Möglichkeiten, entweder hast du bei Darwin etwas falsch verstanden oder die Grundlagen der Volkswirtschaftlehre nicht begriffen.“

      Es gibt eine dritte Möglichkeit: Du hast Evolution nicht verstanden.

      Like

    3. Welche von den Theorien meinst du?
      Ansonsten bleibt es dabei, im Lichte der Evolution betrachtet hast du einen Schmarrn geschrieben.

      Like

    4. Um mal ein Beispiel zu nennen:

      Nokia ist ein System (ein Individuum), welches im Markt der Mobiltelefone (seinem Lebensraum) evolviert. Die Population der Hersteller verfügt über Variation (Nokia, Motorola etc.). Die einzelnen Individuen (z. B. Nokia) besitzen Kompetenzen (Adaptionen), um in ihrem Lebensraum Ressourcen (Geld) zu erlangen. Das sind ihre Produkte (Mobiltelefone).

      Frage: Lassen sich diese Kompetenzen auf die Eigenschaften von Mitarbeitern zurückführen? Nein, denn es handelt sich hierbei um emergente Eigenschaften des Systems Nokia, bei dem es sich um einen Superorganismus handelt, dessen Zellen Organismen (Menschen) sind.

      Und dieser Superorganimus führt ein Eigenleben. Er adaptiert sich fortlaufend in seinem spezifischen Lebensraum. Du könntest alle Manager auswechseln, das Unternehmen würde gleich darauf wieder die gleichen Ziele verfolgen, sich nämlich an den Markt (seinen Lebensraum) anzupassen.

      Wenn der Markt z. B. aus lauter Käufern besteht, denen es scheißegal ist, ob Nokia in Bochum Menschen entlässt, dann wird das Unternehmen das tun. Registriert der Markt dagegen Abweichungen von bestimmten ethischen Standards penibel, wird sich das Unternehmen daran anpassen, ansonsten aber nicht.

      Man kann von Löwen keine Humanität erwarten, weil dies (lebende) Systeme sind, die auf einen bestimmten Lebensraum hin optimiert sind. Das ist bei Unternehmen nicht anders. Deshalb müssen die Märkte so reguliert werden (und zwar global), dass sich die Unternehmen so verhalten, dass sie keinen zu großen Schaden anrichten können. In menschlichen Gesellschaften sperrt man aus diesem Grund Löwen in Gehege ein. Auch im Umgang unter uns Menschen bestehen Gesetze und unausgesprochene Verhaltensnormen, an die man sich zu halten hat. Solche müssen auch für die Märkte (die Lebensräume der Unternehmen) her. Andernfalls kann ich auch nur sagen: Abschalten der Märkte und Übergang z. B. zum Sozialismus.

      Like

    5. @Lena:
      Du behauptest, die Evolution auf die Mechanismen der Marktwirtschaft zu übertragen, dabei definierst du einige Begriffe aus der Biologie um. Doch bisher bist du uns schuldig geblieben, darzulegen, wo denn nun die Evolution ist. Deine Erklärungen gehen eher in Richtung „Survival of the Fittest“, die Bestandteil der „darwinschen“ Evolutionstheorie sind.

      Was man unter den Begriff Evolution versteht, ist unter folgenden Links nachlesbar:
      Begriffserklärung: Evolution
      Überlegungen zum Begriff ‘Evolution’

      Der Begriff ‘Evolution’ ist vieldeutig. Er wird bekanntlich nicht nur im Bereich der Biologie sondern beispielsweise auch in ‘Evolution des Universums’, ‘Evolution des Autos’ und so weiter verwendet. Üblicherweise will man damit ausdrücken, dass es sich um eine Entwicklung handelt, das heißt, ein bestimmter Typ Gegenstand existiert im Laufe der Zeit in verschiedenen Zuständen. Dabei wird meist (stillschweigend) vorausgesetzt, dass es sich um einen Fortschritt handelt.

      Like

    6. @Robert

      „Du behauptest, die Evolution auf die Mechanismen der Marktwirtschaft zu übertragen, dabei definierst du einige Begriffe aus der Biologie um. Doch bisher bist du uns schuldig geblieben, darzulegen, wo denn nun die Evolution ist.“

      Die Evolution ist nicht bei den Mobiltelefonen, sondern bei den Mobiltelefonherstellern. Dies sind Individuen. Die Mobiltelefone sind nur deren Kompetenzen (Produkte), die als Nebeneffekt mitevolvieren (wie die Äpfel der Apfelbäume oder die Melodien der Lappenstare).

      Die von mir dargestellte Theorie stammt aus Mersch: „Evolution, Zivilisation und Verschwendung“. Darin wird die Behauptung aufgestellt, dass all das, was du dort aufzählst (‚Evolution des Universums‘, ‚Evolution des Autos‘), nicht eigendynamisch evolvieren kann, sondern nur das Leben kann das (wobei Mersch Unternehmen = Superorganismen für eine Lebensform hält). Eigendynamisch können gemäß Mersch nur Populationen, deren Individuen über Kompetenzerhaltungsinteressen verfügen.

      Beispiel: Neuseeländische Lappenstare. Deren Gesang wird gemäß Dawkins kulturell „vererbt“. Dabei seien die Melodien Meme, die die Aufmerksamkeit von möglichst vielen Lappenstargehirnen erlangen wollten. Das Eigeninteresse (Kompetenzerhaltungsinteresse) sitzt also gemäß Dawkins in den Melodien selbst. Das scheint sehr problematisch zu sein.

      Mersch begründet deren Evolution so:
      Die Lappenstarmännchen besitzen ein Kompetenzerhaltungsinteresse (bzgl. ihren Genen), d.h. sie wollen sich fortpflanzen. Dafür wollen sie die Aufmerksamkeit von möglichst vielen Weibchen erlangen. Um deren Aufmerksamkeit zu erlangen, besitzen sie Kompetenzen, nämlich ihren Gesang. Wenn nun ein Männchen eine besonders tolle Melodie gefunden hat und damit die Aufmerksamkeit von vielen Weibchen (= hoher Marktanteil bei der Erlangung von Ressourcen [= weibliche Fortpflanzungsfunktion]) gefunden hat, dann werden die anderen Männchen versuchen, diese Melodie gnadenlos nachzuträllern (Imitation) bzw. sie noch zu übertreffen (noch einen Träller dazu machen), da die anderen Männchen gleichfalls ein Kompetenzerhaltungsinteresse (Reproduktionsinteresse) besitzen. Das bringt die Evolution der Lappenstarmelodien hervor, und zwar als Nebeneffekt der eigendynamischen Evolution der Lappenstare. Allerdings funktioniert das alles nur, wenn die Gesangsqualität zu großen Teilen auch auf genetischen Faktoren beruht (= ein echter Fitnessindikator ist).

      Wenn du in diesem Beispiel die Weibchen durch Kunden austauschst, die Männchen durch Mobiltelefonhersteller, die Melodien durch die angebotenen Mobiltelefone (Produkte), den Träller durch eine neue Funktion (z. B. eine Videokamera) und die Ressourcen durch das Geld der Kunden, dann hast du es, dann kannst du erklären, wie die Evolution der Mobiltelefone funktioniert, nämlich ebenfalls als Nebeneffekt der Evolution der Mobiltelefonhersteller.

      Hier geht es übrigens nicht um „Survival of the Fittest“, d.h. das Prinzip der natürlichen Selektion, sondern in Analogie zur Natur um die sexuelle Selektion, bei der es sich um einen eigenständigen Evolutionsprozess handelt. Z. B. ist bei der natürlichen Selektion der Lebensraum die Natur, bei der sexuellen Selektion dagegen die Population. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Bei der natürlichen Selektion geht es primär um die Erlangung von Nahrungsressourcen, bei der sexuellen Selektion um die Ressource Weibchen. Das sind strukturelle Unterschiede, die Systemtheoretikern wie Mersch auffallen, vielen Biologen leider nicht.

      Bei Amazon hat Mersch zu seinem Buch übrigens ein paar sehr interessante Diskussionsthreads gestartet, z. B. zum Sozialdarwinismus:amazon.de/dp/3837057925/

      M. E. erklärt das den Denkfehler des Sozialdarwinismus viel besser als jede bislang gefundene sonstige Erklärung. Auch seine Erklärung des Altruismus ist den üblichen biologischen Erklärungen weit überlegen (Ausnahme: die Erklärung von Amotz Zahavi).

      Like

    7. Vielen dank, jetzt kann ich jedenfalls nachvollziehen. Vielleicht sollte ich mich damit mal weiter beschäftigen. Mal sehen.

      Like

  9. Dem Artikel hätte weniger Verschwörungstheorie gut getan.

    Sie ermöglicht das bewusste Auslösen einer Krise. Netzwerke, Macht besitzende Seilschaften werden in die Lage versetzt, Zeit, Region und Umfang der Krisenmomente zu steuern. Das Auslösen einer Krise durch asoziale elitäre Interessengruppen wird möglich.

    Intressengruppen wie… ja wer denn eigentlich?

    Keynes sollte mann bitte in frieden ruhen lassen. Aber die aktuellen Konjunkturprogramme entspringen dem Gedanken einer antizyklischen Politik. Angesichts der aktuellen Lage Wahnsinn.

    Geldumlaufgesetz – Es wird nicht erklärt was das ist. Google wirft unter den Topergebnissen diesen Artikel hier aus.
    Nicht alle hier haben Marx gelesen.

    Nichts ist alldem hinzuzufügen. Bis auf die lapidare Tatsache, dass der Staat zum Kapital gehört. Er hat keine eigenständige Funktion. Sein Platz ist im wirtschaftlichen System. Ohne Wenn und Aber.

    Klar hat er seine Position, und zwar möglichst weit abseits. Aber dies hat man in Schleswig Holstein, in Bayern in Sachsen usw. anders gesehen.
    Landesbanken wurden gegründet um billige Kredite zu vergeben, nicht um hochspekulative Geschäffte mit unseren Steuern zu machen.

    Kapital strebt aber unabhängig frommer Wünsche zum Maximalprofit. Dessen Expansionsstreben löst es von den Interessen der Produzenten und den Interessen der Besitzer der Produktionsmittel gleichermaßen. Das Gesetz kommunikativer Effizienz, das Universalgesetz des Universums, kommt hier zum Tragen. Kapital kennt weder Moral noch humane Werte noch Nationalstolz. Der ökonomische Krisenkreislauf muss daher um seine politische Komponente erweitert werden, die gnadenlose Schaffung der Bedingungen zur Maximalprofitumsetzung.

    Hinter Geschäften stehen immer Menschen. Die wissen sehr wohl was Moral sein kann, einige haben sich nur entschieden diese zu ignorieren.
    Alle Geschäftemacher wollen maximalen Profit. Es ist also nicht überaschend, das für ein paar mille das Gewissen beiseite gedrängt wird.
    Amoralische Geschäftemacher mit dem Kapital (was auch immer in dem zusammenhang gemeint ist) gleichzusetzen wird der Sache nicht gerecht. Offenbar soll hier ein Feindbild bedient oder erzeugt werden.

    Mit dem Verlottern eines Teils des Geldes vom allgemeinen Warenäquivalent im Ware – Geld – Ware Zyklus zum Spekulationsgegenstand geschieht jedoch eine Verwandlung des Geldes vom allgemeinen Zirkulationsmittel zum allgemeinen Spielgegenstand.

    Richtig, der Wert von z.B. Aktien wird, je komplexer das Anlagemodell ist, vom dem was Aktien repräsentieren entkoppelt und verkommt zum Glücksspiel.
    Viele Vergessen die wichtigste Regel beim Glücksspiel.
    „Am Ende gewinnt immer die Bank.“
    Kann man seine Schulden nicht decken ist am gearscht. Kann eine Bank schulden nicht eintreiben ist die Bank am Ende, wenn sie Anleger nicht auszahlen kann (also Leute die rechtzeitig abspringen).
    Da es hier um Glückspiel geht greifen weniger die Gesetze des Marktes als viel mehr die der Stochastik und der Menschlichen Psychologie, die im Glückspiel höchst irrational handeln kann (Konditionierung, Taubenexperiment etc.).

    Sie kommen jenem zugute, der die Krise auslöste, versetzen ihn mit dem Kapitalgewinn aus Rettungshand15 in die Lage früher oder später noch konsequenter, noch brutaler, noch gnadenloser die Masse für seine Ziele zu missbrauchen

    Ja. Belohnung falschem Verhaltens

    Eine Verstaatlichung einer Bank wäre somit nur stabilisierender Zwischenschritt zu erneuter Privatisierung…

    Nein, der Staat das Problem und nicht die Lösung. Deutschland hat sich mit seinen Landesbanken die Finger verbrannt, Island ein Insolvenzfall.
    Viele Privatbanken in Europa sind mit einem Blauen Auge davon gekommen.
    Die Ausnahmen sind entweder im immobiliengeschöft aktiv gewesen (HRE) oder haben sich bei Risikogeschöften verhoben (Dresdenerübernahme).

    Die Zweckkrise kann nur aufgerieben werden durch die totale Ignoranz und Aufkündigung bestehender Spekulationsverbindlichkeiten, durch das allgemeine Spekulationsverbot mit Warenwerten und Warenwertäquivalenten” letztendlich nur durch das Zerschlagen jeglicher Börsenstruktur.

    Hat hier jemand feuchte Träume?
    An Börsen wird mit Firmenanteilen gehandelt. Es ist einer der simpelsten Wege Geld in die Firma zuhohlen um zu investieren. Dafür gibt man ein Teil der Firma ab. Der Gewinn der Firma wird an die Anteilseigner als Rendite ausgeschüttet. Warum dieses System einstampfen?
    Und vor allem wie will man den Handel mit Firmenanteilen unterbinden. Sowas lässt sich auch mit einfachen Verträgen durchführen.
    Ein wichtiger Hinweis: Die Manager sind nicht die Eigentümer des Unternehmens, die sind die Aktionäre. ein Detail das gerne untergeht wenn man Managergehälter attackiert. Gute Manager sind ein rares (sprich teures) Gut.
    Die Aktionäre aber stehen mit ihren Anteilen gerade die wenn ein unternehmen Verluste macht an Wert verlieren. Der MAnager kann schuld dran haben, aber er ist nicht gezwungen mit seinem Vermögen zu haften (sofern dies nicht im Vertrag vorgesehen ist).

    Für all das gibt es das abschreckende Komplettbeispiel der Zweckweltwirtschaftkrise von 1929 bis 1945. Sie hat den Seilschaften ihrer Verursacher und zugleich Nutznießer (die bis heute weder akkurat benannt noch für ihre Verbrechen abgestraft sind), mittels ihres Stimm-, Melk- und Schlachtviehs, die Weltmärkte neu geordnet und jenen unermesslichen Gewinn gebracht, der sie periodisch zu teuflischem Tun anspornt.

    Gibt es dazu auch Ross und Reiter oder muss ich mich mit Allgemeinplätzen rumschlagen?

    1) Krisen und “Friedenschaffen” sind Begleiter kapitalistischer Produktion und als solche unter kapitalistischen Verhältnissen jedweder Art unvermeidlich.

    So ist die gängige Theorie über zyklische Konjunktur.

    2) Will man ihrer ledig werden, muss man die kapitalistischen Umstände hinwegfegen.

    Viva la Revolition?

    4) Hätte das Volk Entscheidungsgewalt, könnte es hin und wieder seinem Missbrauch möglicherweise temporär begegnen, indem es dem Sozialgeschrei des Finanz- und Industriekapitals nicht auf den Leim ginge und deren Spekulationsverbindlichkeiten absolut ignorieren würde

    Hätte das Volk Entscheidungsgewallt wo würde man nicht marode Banken und ebenso mardoe Industriezweige refinanzieren sondern denjenigen Helfen die ihre Arbeit verlieren, ihre Rente verloren haben, also dem Volk, und nicht den Managern.
    oder kurz: Verluste dürften unter keinen Umständen sozialisiert werden.
    Firmen entstehen und vergehen. Fressen und Gefressen werden. Marktwirtschaft ist nicht gerecht, daher muss de soziale Staat für denen helfen (d.h. nicht Geld hinterher werfen) die unter die Räder gekommen sind.
    Firmen an den Staatstropf zu hängen bedeuted Verluste sozialisiern.

    5) Das hebelt jedoch Satz Nummer zwei nicht aus.

    Also doch kein Kommunismus?

    6) Das Volk kann Krisen- und Kriegsgeschäft nie begegnen, indem es den Seilschaften ihrer Verursacher und Nutznießer finanziell und mit nationaler Opferbereitschaft unter die Arme greift.

    Einer der wenigen Sätze den ich unterschreiben kann.

    Das was derzeit abgeht, ist nicht neoliberal, nicht mal mehr Kenisianisch, sondern ganz profaner Neomerkantilismus.

    Als pöhser neoliberaler bin ich entsetzt über jedes neue „Konjunkturpaket“ und Bailout und Staatsbeteiligung.
    Wer mist baut, soll auch dafür gerade stehen müssen. Geld für die die am unteren Ende betroffen sind und ich bin mir sehr sicher das das die billigere Alternative ist.

    Aber Theorie ist schön und gut, wenn der FAktor mensch und sein Vitamin B nicht wären. Btw. Posten in Landesbanken sind beliebte Zubrote und Abstellgleise für Politbonzen.

    „Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden.“ – J.-Ackermann
    Mann kann streiten ob er dabei auf die Deckelung seines Grhaltes in dem Fall im Visier hatte, aber im Kern hat er recht. Es wäre ein Eingeständnis von eigenem Versagen.

    Like

  10. Präzise auf den Punkt gebracht. Dieser Beitrag illustriert exzellent wieso Marx auch heute noch aktuell ist (aktueller denn je) und wieso es sich immer noch, immer wieder und generell lohnt Marx zu lesen.

    Dass das Finanzkapital seine Lobby im Staat hat ist nicht unbekannt, wird aber weiterhin vom Großteil der Menschen ignoriert. Leider hat Marx auch vorhergesagt dass Krisen die Menschen eher unpolitischer als politischer machen…. damit hatte er leider auch Recht.
    Darum sehen wir zur Zeit keinen Trend dazu sich politisch zu bilden, sondern eher den Trend die Hilflosigkeit auszublenden und sich frustriert abzuwenden.

    Like

Kommentare sind geschlossen.