Satanische Wissenschaft


Quelle: esowatch.blog
Quelle: esowatch.blog

Satanisten versammeln sich des Nachts auf Friedhöfen, trinken Blut und beten das Böse an. „Alles Quatsch“, sagt Dagmar Fügmann. Für ihre Doktorarbeit hat sie mit Satanisten gesprochen und deren Treffen besucht. Dafür gab es jetzt den Eon-Kulturpreis. Das weiß doch jedes Kind: Satanisten, das sind die, die in langen schwarzen Mäntel im Dunkeln durch die Straßen ziehen, die Leichen aus den Totenhäusern stehlen, sie ausbluten lassen und das Blut dann während ihrer schwarzen Messen trinken. Oder besser gleich ein Menschenopfer darbringen. Dass es so ist, bestätigen ja auch regelmäßig die Berichte von Aussteigern aus der Satans-Szene.

uni-protokolle.de

Zweifel am Wahrheitsgehalt

Dagmar Fügmann kennt solche Berichte zur Genüge. Gleich zu Beginn ihres Studiums ist sie darauf gestoßen – im Rahmen eines Seminars „Woher kommt das Böse?“. Allerdings hatte die Studentin schon damals Zweifel an dem Wahrheitsgehalt dieser Schilderung und hat sich deshalb dafür entschieden, der Angelegenheit einmal wissenschaftlich auf den Grund zu gehen. Das Ergebnis ihrer Untersuchungen mündete in eine Magisterarbeit im Fach Religionsgeschichte, die ihrem Betreuer, dem heute emeritierten Religionswissenschaftler Norbert Klaes so gut gefiel, dass er Fügmann aufforderte, das Thema Satanismus im Rahmen einer Doktorarbeit zu vertiefen.

„Ich wollte wissen, was der eigentliche Kern der Sache ist“, beschreibt die heute 38-Jährige ihre Motivation für die Arbeit an einem auf den ersten Blick etwas düsteren Thema. Ganz einfach war das anfangs nicht: „Man kommt nicht leicht an Satanisten heran“, sagt Fügmann. Was nicht etwa daran liegt, dass es sich bei ihnen um ein lichtscheues Völkchen handelt. Schlechte Erfahrungen mit der Berichterstattung in den Medien seien vielmehr für diese Zurückgezogenheit verantwortlich.

Als Beobachterin bei einer Satanisten-Versammlung

Immerhin: Mit der Zeit ist es Dagmar Fügmann gelungen, solche Vorbehalte zu vertreiben. Und irgendwann war es dann sogar soweit und die Religionswissenschaftlerin durfte zum ersten Mal als Beobachterin an einer Satanisten-Versammlung teilnehmen – nicht ohne ein gewisses Maß an Nervosität. „Nimm deine Beine unter die Arme und verschwinde“, habe sie gedacht, als es im Raum dunkel wurde und Lichtblitzscheiben für eine gruselige Stimmung sorgten. Aber dann hat sich die Doktorandin zusammengerissen und ist geblieben – und hat eine Versammlung erlebt, die ganz anders ablief als sie das aus Beschreibungen in den Medien kannte. Tatsächlich sei der Ritus so unspektakulär verlaufen – „nach dem dritten Mal habe ich bereits eine gewisse Routine empfunden.“

Der Mensch setzt sich selbst seine Maßstäbe

Satanisten beten nicht den Teufel an und trinken kein Blut – weder menschliches noch das von Fledermäusen. Zwar gibt es keine einheitliche Lehrmeinung der unterschiedlichen Kirchen und Gruppen- in den USA existiert tatsächlich seit 1966 die offiziell eingetragene Church of Satan. Gemeinsames Leitmotiv aller Anhänger sei jedoch die Überzeugung: „Der Mensch ist sein eigener Gott; er setzt sich selbst seine eigenen Maßstäbe“, so Fügmann. Und mit diesen Maßstäben stehen sie oft gar nicht jenseits aller Normen. „Die meisten Ansichten sind ziemlich Mainstream“, sagt Fügmann. Eine Bewertung, die nicht alle Satanisten mit großer Freude zur Kenntnis genommen haben. Schließlich definieren sie sich doch in der Regel als gesellschaftliche Elite.

Dagmar Fügmanns Arbeit, welche die Binnenperspektive von Satanisten erforscht, gilt als einzigartig im deutschsprachigen Raum. Ihre Betreuer vergaben dafür die Bestnote „opus eximium“, zusammen mit dem Promotionskolloquium wurde ein „summa cum laude“ Abschluss daraus. Die Eon Bayern AG hat der Wissenschaftlerin dafür jetzt den Kulturpreis Bayern verliehen. Damit verbunden ist ein Preisgeld von 4.000 Euro.

Wie der Begriff „Religion“ Verwendung findet

Was sie mit dem Geld machen wird, weiß die Nachwuchswissenschaftlerin genau: Seit April 2008 arbeitet Fügmann als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Franz-Brentano-Forschung der Universität Würzburg an einem von der Fritz-Thyssen Stiftung finanzierten Projekt. Gleichzeitig bereitet sie sich auf ihre Habilitation im Bereich Religionswissenschaft vor. Diesmal ist ihr Thema weniger „düster“: Der Erforschung des Begriffes „Religion“ und wie dieser als Konstruktionselement in den Diskurs zu so genannten Parallelgesellschaften Eingang findet, gilt Dagmar Fügmanns Augenmerk. Die Untersuchung erfolgt am Beispiel des Islam in Deutschland, mit besonderer Berücksichtigung des Rechts- und des Gender-Diskurses, wobei sie für letzteren auch durch ihre Mitarbeit bei der Frauenbeauftragten der Universität sensibilisiert wurde. Das Preisgeld des Kulturpreises Bayern wird in die Finanzierung dieses Habilitationsprojekts fließen.

5 Comments

  1. Über diese „Studie“ kann ich nur müde lächeln. Das Ergebnis läßt nur zwei Schlüsse zu. Entweder ist Frau Fügmann eine an Naivität kaum zu überbietende Dame, die völlig übersieht, daß es zu den Grundprinzipien von Satanisten gehört sich zu verstellen, zu lügen und zu heucheln und die natürlich Personen aus der „normalen Welt“ stets mit einem Trugbild abspeisen werden oder Frau Fügmann ist dort selber Mitglied und wird aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung dazu eingesetzt, Satanisten den Mantel der Harmlosigkeit umzuhängen.
    Wer einmal mit Satanisten zu tun hatte, weiß, hier sind skrupellose und zu allem bereite Psychopathen am Werk.

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  2. Die Ergebnisse der Untersuchung von Dagmar Fügmann stimmen im Großen und Ganzen mit meine persönlichen Erfahrungen mit Satanisten überein.
    Das gesellschaftliche Problem mit Satanisten liegt (einmal abgesehen von Kriminellen, die ihre Taten satanistisch verbrämen) nicht in der „satanischen Spiritualität“, der Beschäftigung mit Magie (jeder „Licht- und Liebe“-Blümchenesoteriker denkt mindestens ebenso „magisch“) und schon gar nicht in der aktiven Ablehnung des Christentums (nach wie vor Hauptsorge kirchlichen Sektenbeauftragter).
    Der Satanismus vertritt einen kompromisslosen Individualismus, eine „Religion der Stärke“. Die Ähnlichkeit mit radikal wirtschaftsliberalen und sozialdarwinistischen Positionen ist dabei unzufällig.
    Der Satanismus ist sozusagen eine Weltanschauung ohne „moralische Bremse“. Im Unterschied zu anderen – auch und gerade atheistischen – Weltanschauungen gibt es keinen Ehrbegriff und keine Sozialregeln über die totale Freiheit des Egos hinaus. Die satanistische Ethik beruht auf dem Prinzip des Eigeninteresses bzw. des Gruppenegoismus. Mit satanischen Lehren ließe sich ohne weiteres jede, aber auch jede, individuelle Handlung rechtfertigen. Satanisten handeln meiner Ansicht nach im Grunde genommen aus opportunistischen Gründen gesetzeskonform: Würden ihre Mitglieder gegen Gesetze verstoßen und dabei erwischt werden, könnte z. B. die „Church of Satan“ verboten werden.
    Ein besonders unangenehmer Zug, den ich bei manchen Satanisten wahrnehme, ist ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid von Menschen, die sie persönlich nicht kennen und von denen sie auch nichts erwarten. Es ist zutiefst unsatanistisch, einem „Versager“ zu helfen – wer im Leben gestrauchelt ist und nun obdachlos vor dem Bahnhof hockt, hat es eben nicht besser verdient.
    Im Grunde genommen setzt der Neosatanismus damit Tendenzen fort, die die moderne „turbo-kapitalistische“ Gesellschaft stark mitbestimmen: Jeder ist seines Glückes Schmied, wer unten durch fällt war eben nicht tüchtig genug! Soziale Kälte statt soziale Verantwortung, Genusssteigerung statt Bereitschaft zum Teilen, Gleichgültigkeit gegenüber fremden Leid statt helfender Anteilnahme.
    Nimmt man die Satanisten beim Wort, sind sie eine Elite. Eine selbsternannte und parasitäre Elite: Ihrem skrupellosen Egoismus können sie nur so lange frönen, wie die Gesamtgesellschaft ihnen eine Nische bietet. Eine nur als Satanisten bestehende Gesellschaft würde nicht funktionieren. Würde hingegen eine satanistische „Elite“ an die Macht kommen, gäbe es keine Sozialfürsorge mehr, keine Gnade für die Schwachen, statt dessen einen kapitalistischen Sozialdarwinismus, im dem nur der Starke ein Überlebensrecht hat.
    Soweit die m. E. notwendige Ergänzung zu diesem guten Artikel über Dagmar Fügmanns Arbeit, in der sie diese m. E. düsterste Seite des Satanismus durchaus erwähnt.

    @tischl: Tatsächlich hat die Studie methodische Schwächen. Sie beruht allzu sehr auf dem Selbsteinschätzung der Befragten und ist daher tendenziell „zu schön“. Ihr wesentlicher Fortschritt gegenüber allen mir bekannten älteren Untersuchungen liegt darin, dass Fügmann eine „teilnehmende Beobachtung“ an Ritualen gewagt hat. Hier gilt es weiterzumachen. Auch wenn der Vorwurf, man mache sich durch „teilnehmende Beobachtung“ zum Komplizen unweigerlich erhoben wird.

    Satanismus Studie zu tun?
    Ganz einfach! Sie basiert fast ausschließlich auf Methode 1.

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  3. Befragt man in einer Fußgängerzone Passanten, was sie von Fair Trade-Kaffee halten, antworten 98%, dass sie diesen gut fänden und unterstützen würden, vor allem wegen den armen Afrikanern. Fragt man den Computer einer Supermarktkasse, findet man jedoch heraus, 98 % kaufen eben KEINEN Fair Trade Kaffee. Das bedeutet, bei der ersten Methode ermittelt man die Wunschvorstellung („Wie möchte ich gerne sein“), bei der zweiten die Fakten(„Wie bin ich wirklich“).

    Was hat das nun mit der Satanismus Studie zu tun?
    Ganz einfach! Sie basiert fast ausschließlich auf Methode 1.

    „…Offene Interviews, ero-epische Gespräche, Fragebogen und teilstandardisierte Interviews erhoben verbale Daten, visuelle Daten wurden durch Beobachtung und Filmanalyse gesammelt…“

    Die Autorin befragte 23 Satanisten (davon nur 10 ausführlich) nach ihrer Meinung zum Satanismus und ihren sonstigen Lebensumständen, sammelte deren Antworten und wertete sie in einer Studie aus. Zu glauben, es kämen dabei Daten heraus, die etwas Objektives über die Satanisten-Szene verraten würden, ist mehr als lächerlich. Wollte man dies, wäre man nach der Wallraff-Methode vorgegangen und hätte Tatsachen unter Realbedingungen beschrieben oder hätte zumindest Aussteiger bzw. Angehörige befragt.

    Stattdessen setzte sich die Autorin, nach Anmeldung, mit Schreibblock und Kugelschreiber in eine Satanisten-Veranstaltung und glaubte dadurch mehr über deren Wirklichkeit zu erfahren. Harte Fakten aus Statistiken oder Zahlen in Tabellenform findet man in dieser Arbeit nicht, es ist also eine satanistische „Binnenstudie“ oder besser Märchenstunde, die mehr an eine „37 Grad“ Sendung des ZDF, als an eine Doktorarbeit erinnert. Daran ändern auch die reichlichen religionswissenschaftlichen und philosophischen Garnierungen nichts.

    Und was denken die Satanisten so?

    „…Eine Hauptforderung, welche die Interviewpartner an den Staat stellen, ist jene nach der Verbesserung und Vereinheitlichung des Bildungssystems. Weitere Anliegen, die sie betonen, fordern Maßnahmen zur Reduktion der Staatsverschuldung und zur Förderung vermehrter Eigenverantwortung des Einzelnen…“

    Exakt das Wahlprogramm der F.D.P !
    Ein Schelm, wer… 😉

    Originalarbeit als PDF (3,3 MB):
    http://www.opus-bayern.de/uni-wuerzburg/volltexte/2008/2690/

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  4. Die Wissenschaftlerin Dagmar Fügmann, die ich nur aus diesem Bericht kenne, scheint mir eine erfreuliche Fachvertreterin zu sein. Diese Haltung des neue Wege Gehens und über den Tellerrand Schauens ist nicht allzu verbreitet.

    Die Alltagsrealität der Religionswissenschafts-Institute scheint häufig in einer engen Anlehnung (teils gar Anklammerung) an Formen und Ideenwelten der Praktischen Theologie zu bestehen. Mehr Distanz zu ihren Forschungs- und Lehr-Gegenständen wäre angemessen.

    Statt kritischer Forschung (die es sicher auch gibt) werden vielfach Zubringer-Dienste (Gutachten, Studien, Vorträge, Ausstellungen) für die Kirchen und Religionsgruppen geleistet. Wo ein distanziertes, neutrales Verhältnis zum eigenen Gegenstand als verpönt gilt, kann man das noch guten Gewissens Wissenschaft nennen?

    Oder ist diese verbrämte Symbiose ohne Aufklärungswillen nicht auch schon „Verkündigung“, also Werbung für die Religionen? – Es bräuchte mehr Fügmanns in diesem Fach.

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