Zapp-Urteil: Kirchenaustritt nur pur


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All along the watchtower? (CC-by-sa/3.0/en by Niels Bosboom)

Nur „ohne wenn und aber“, ganz oder gar nicht sei ein Kirchenaustritt statthaft, so lautet frei formuliert der Tenor des letzten Stands einer aktuellen Justizposse. Der emeritierte Kirchenrechts-Professor Hartmut Zapp war 2007 aus der katholischen Kirche offiziell ausgetreten.

Zugleich hatte er erklärt, dass er selbstverständlich aktives Mitglied der Kirche bleibe, nur eben nicht mehr Kirchensteuer-Pflichtiger gegenüber der Amtskirche sein wolle. Deswegen trete er aus der „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ Kirche aus, nicht aber aus der Gemeinschaft der Gläubigen. Der Vatikan sage schließlich: einmal getauft bleibe man für immer Katholik. Ein tolldreistes Verwirrspiel von und für Juristen.

Das gehe aber so nicht,  urteilte am (3. Mai) der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg. Wer Katholik sein wolle, der muss Kirchensteuer zahlen. Revision wurde nicht zugelassen. Allerdings ist gegen diesen Beschluss eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht möglich (Az.: 1 S 1953/09). Juristen sind seltsame Witzbolde.

Glücklicherweise wollen immer weniger Menschen in Deutschland Katholiken bleiben. Mixa sei Dank. Sich tagtäglich fremdschämen zu müssen für das von der römisch-katholischen Kirche angerichtete Moral-Desaster im Umgang mit Missbrauchern unter den Priestern selber, das führte in den letzten Wochen und Monaten zu einem Tsunami an Kirchenaustritten.

Wer beständig hohe Moral von sich behauptete und dann dabei erwischt wird, dass er die eigenen Maßstäbe noch nie in den Reihen seiner Profis einhielt, der hat auf lange hin jede Glaubwürdigkeit eingebüßt. Die Tageszeitung Die Welt fasste es in die Schlagzeile: Missbrauch, Misshandlung, Mixa: Jeder vierte Katholik erwägt … den Kirchenaustritt.

Also auf die Trägheit und Denkfaulheit von drei Vierteln der deutschen Katholiken kann sich der Vatikan trotz alledem noch immer verlassen. Oder steckt vielleicht ein Frage-Formulierungstrick des Umfrageinstituts dahinter, dass es nicht doch mehr sind?

Die Website kirchenaustritt.de informiert Sie kompetent über die recht unterschiedlichen Verfahren eines Kirchenaustritts in deutschen Bundesländern, Österreich und der Schweiz.

4 Comments

  1. @Kuro Sawai

    Diese „Parallelgesellschaft“ entsteht dann, wenn Leute in ihrer kl. Bude sitzen, fast nur mit Leuten zu tun haben, die die gleichen Ideen haben:

    Geistige Inzucht ist da nahrzu unvermeidlich und endet dann in Saetzen wie „Die Welt wurde auf die Kirche hin erschaffen“ (Katechismus der Kath. Kirche, 760) – Man ueberlege sich diese Aussage mal: Wirklich einen Schoepfergott angenommen, dann habe er vor rund 13 Mrd. Jahren ein Universum geschaffen, mit abermrd. Galaxien, nur damit ein aelter Herr in Rom auf einem Stuhl sitzen kann … Einen groesseren Irrsinn kann man sich kaum ausmalen, ein nahezu pathologischer Fall von Groessenwahn (die Leute, die meinen Napoleon oder Caesar zu sein sind dagegen noch realitaetsnah).

    Dazu kommt ein Amtbetrieb, der sich natuerlich selber erhaelt. Die Sir Humphrey Applebys ( http://en.wikipedia.org/wiki/Humphrey_Appleby ) sind ueberall in der Welt die gleichen: Ob sie nun Anzug, Toga oder Bischofsviolett tragen. Es ist fuer diese Leute viel bequemer sich das Gehirn zu verdrehen als ihre eigene Existenz infrage zu stellen.

    Da ich im Rheinland aufgewachsen bin, konnte ich kaum einer „gut katholischen“ Erziehung entkommen. Ausserdem habe ich einen sehr absurden Humor und die Kath. Kirche liefert hier jede Menge Material.

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  2. Das ganze ist nach kath. Kirchenrecht alles etwas verdrehter: Jeder der rechtmaessig getauft wurde, also auch fast alle Prostanten, Othrodoxe, Anglikanter, etc., gehoert nach kath. Auffassung zur einizige Kirche Christie (Codex Iuris Canonici, CIC, 849; Katechismus, 1213) – was nach kath. Auffassung natuerlich die Kath. Kirche ist.

    Wenn aber jemand sich eines „Verbechens“ schuldig macht, wie Haeresie, Abfall vom Glauben oder Schisma (womit man schon wieder die Prostanten, etc. draussen hat), dann verfaellt er automatisch der Exkommunication (CIC 1364) und darf sich nicht mehr an „Gnadenquellen“ der Sakramente teilnehmen.

    Und in einer solchen Situation befindet sich nun Herr Zapp – aber muesste er eigentlich besser wissen als ich.

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    1. @Rheinlaender
      Hmmh, interessant und komplex deine Ausführungen zu Zapp. Wie eigentlich von dir gewohnt. Aber wer nicht in diese Abstraktions-Labyrinte à la CIC eindringen möchte, versteht diese Scholastereien des Kirchenrechts doch eher als Verstiegenheiten. Das was herauskommt, wenn „Gelehrte“ sich eine abgeschottete Parallelgesellschaft geschaffen haben. Zapp ist ja Teil dieser Spezialisten. Woher weißt du soviel darüber?

      Naheliegender scheint mir, dass Zapp darauf raus will, jener enorm großen innerkirchlichen Gruppe als Pionier zu dienen, die von der kath. Beamten-„AmtsKirche“ sich abgestoßen fühlen, aber sich zum Austreten auch noch nicht entschließen mochten. Es gibt so viele, die nicht mehr an einen persönlichen Gott glauben, aber nichtsdestotrotz meinen, dass es gut wäre, zu glauben und wenigstens so zu tun als ob.

      So oder so, halbe Sachen soll man nicht machen, da ham die Richter doch recht. To be or not to be (catholic), nicht dubidubidu, oder?

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