Indien: Wo der Papstgesandte mit Eiern beworfen wird


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Verehrungswürdige Puppe. Themenbild

Gottesdienst mit dem Rücken oder dem Gesicht zur Gemeinde? Diese Frage hat Indiens syro-malabarische Kirche in einen tiefen Konflikt geworfen. Der Papstgesandte wurde sogar mit Eiern beworfen. Am Sonntag lief das Vatikan-Ultimatum zur Klärung ab. Vorher hatte Rom sogar mit Exkommunikation gedroht. Der Konfessionskundler Martin Bräuer hält ein Schisma nicht für unrealistisch und erklärt die Hintergründe der wenig bekannten indischen „Thomaschristen“. 

Frage: Herr Bräuer, warum gibt es christliche Gemeinschaften in Indien?

Bräuer: Christliche Gemeinschaften in Indien gibt es seit den ersten Jahrhunderten. Die sogenannten Thomaschristen, die mehrheitlich im heutigen Bundesstaat Kerala im Süden Indiens leben, aber mittlerweile auch in aller Welt zuhause sind, führen sich auf diese Erstmission des Apostels Thomas zurück. Sein Grab wird heute in Chennai (Bundesstaat Tamil Nadu) verehrt. Christen sind also in Indien ansässig seit den ersten Jahrhunderten, die Kirchenväter sprechen seit dem vierten Jahrhundert von Christen in Indien. Sie entwickelten sich allerdings eigenständig. Da sie zu den Christen im Römischen Reich und auch zu denen, die im persischen Reich lebten, kaum Kontakt hatten und hinter den Ländern lebten, die vom Islam geprägt waren, durchliefen sie eine eigenständige Entwicklung. Dieses eigenständige Kirchenleben, in welches auch viele indische Elemente integriert wurden, lebten sie in Gemeinschaft mit dem Katholikos des Ostens, dem Oberhaupt der ostsyrischen „Kirche des Ostens“, die auch außerhalb des römischen Reiches existierte. Von ihr haben sie den ostsyrischen Ritus übernommen. Als dann 1498 die Portugiesen auf ihrer Suche nach neuen Handelswegen nach Indien kamen, fanden sie dort Christen vor. Nach anfänglicher glücklicher Zeit began vor allem nach dem Konzil von Trient die Jahrhunderte währende Latinisierung und Fremdbestimmung. Vorher hatten sie ein weitgehend eigenständiges Kirchenleben geführt, nun wurden sie latinisiert und zwangsbestimmt. So blieb es nicht aus, dass sich Konflikte ergaben.

Frage: Wenn man dort in einen Gottesdienst gehen würde, kann man das gar nicht so wirklich vergleichen mit dem, was man in einem katholischen oder auch in einem orthodoxen Gottesdienst in der westlicheren Welt findet?

Bräuer: Man muss erst einmal darauf hinweisen, dass die ostsyrische Kirche ja nicht zu den byzantinisch-orthodoxen Kirchen (z. B. russisch-orthodoxe Kirche) und auch nicht zu den altorientalischen Kirchen (z. B. armenisch-apostolische Kirche oder koptisch-orthodoxe Kirche) gehört, sondern sich aus der heutigen „Assyrischen Kirche des Ostens“ entwickelt hat, die in den christologischen Streitigkeiten bereits 431 n. Chr. anlässlich des Konzils von Ephesus sich abspaltete. Deren Liturgie ist einfacher als z. B. ein russisch-orthodoxer Gottesdienst. Sie hat allerdings einige Besonderheiten, z. B. benutzt sie die sogenannte Anaphora (Hochgebet) von Addai und Mari, die keine Rezitation der Einsetzungsworte kennt, sondern mehr narrativ das Geschehen im Abendmahlssaal umschreibt. Über die ganzen Jahrzehnte gab es dann gerade unter dem „Patroado“, das heißt der portugiesischen Oberherrschaft auch in kirchlichen Dingen, einen sehr starken Druck, die Liturgie zu latinisieren oder den lateinischen Bräuchen anzupassen. Das ging so weit, dass 1599 auf der Synode von Diamper der Erzbischof von Goa, das von den Portugiesen eingesetzte kirchliche Oberhaupt, durchsetzte, dass nur noch liturgische Bücher benutzt werden durften, die an die lateinischen zumindest angeglichen oder weitgehend angeglichen waren. Das hat natürlich Proteste hervorgerufen und es war dann so, dass man 1653 bei dem sogenannten Schwur am Schiefen Kreuz von Cochin gesagt hat: Wir trennen uns von den Lateinern und werden vor allen Dingen keinen Jesuitenbischof mehr akzeptieren. Das war im Grunde der Beginn der Aufspaltung der Thomaschristen in verschiedene Denominationen, die wir heute in sechs oder sieben Ausprägungen erleben.

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