Das Oxford English Dictionary war nicht nur als Gemeinschaftswerk die „Wikipedia des 18. Jahrhunderts“, sondern auch ein Rettungsanker für Verfemte. Ein Buch setzt ihnen nun ein Denkmal.
Karl Gaulhofer | Die Presse
Doktor Minor war ein Chirurg in der US-Armee, er brachte unter Wahnvorstellungen einen Mann um und wurde in ein Krankenhaus für geistig abnorme Rechtsbrecher eingeliefert. Von seiner Zelle aus sammelte und verschickte er 62.720 Zitate, die im Oxford English Dictionary die Verwendung von Wörtern dokumentieren sollten. Es war ein obsessiver Einsatz. Vielleicht verstand er ihn als Sühne, vielleicht als Weg, seinem Leben noch einen Sinn zu geben – indem er bei einem so prestigeträchtigen Werk mitwirken konnte.
Man hat die erste Auflage des Oxford English Dictionary die „Wikipedia des 19. Jahrhunderts“ genannt. 1857 fingen Gelehrte in Oxford damit an, lange ging wenig weiter. Der dritte Herausgeber, James Murray, erkannte ab 1879, dass sich das Mammutprojekt nur durch die weltweite Mithilfe vieler realisieren ließ. Erst 1928 war es fertig, mit 15.000 Seiten, 400.000 Einträgen und zwei Millionen Zitaten – eines der größten „Crowdsourcing“-Projekte der Geschichte. Wie groß, hat nun Sarah Ogilvie aufgezeigt. Die Linguistin arbeitet an der aktuellen, dritten Ausgabe mit.