Der Europäische Gerichtshof vollzieht in Sachen Vorratsdatenspeicherung eine 180-Grad-Wende und erlaubt die massenhafte Speicherung von IP-Adressen. Diese Maßnahme stellt künftig nur noch in Ausnahmefällen einen schweren Grundrechtseingriff dar und kann sogar zur Verfolgung von Bagatelldelikten eingesetzt werden, warnt die am Prozess beteiligte französische Digital-Rights-Organisation La Quadrature du Net.
Adrian Beck | hpd.de
Wir schreiben das Jahr 2022. Die EU, die nationalen Innenministerien und die Kommission arbeiten eifrig an Videoüberwachung, Chatkontrolle und der weitreichenden Speicherung von IP-Adressen und Verkehrsdaten. Die komplette EU? Nicht ganz. In einem braun getäfelten Sitzungssaal im Osten Luxemburgs hat das Konzept „Recht auf Privatsphäre“ noch Bedeutung.
In zwei Urteilen binnen eines halben Jahres stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) damals klar, dass die Prävention schwerer Straftaten keinesfalls ausreichend ist, um die anlasslose Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten zu rechtfertigen. Erst zwei Jahre zuvor hatte das Gericht einem ähnlichen Ansinnen eine Abfuhr erteilt.
Im Hinblick auf die massenhafte und unterschiedlose Speicherung von IP-Adressen hatte das Gericht mehrfach klargestellt, dass eine solche Maßnahme europarechtkonform ist, sofern sie einerseits lediglich „für einen auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum“ gilt und andererseits dem „Schutz der nationalen Sicherheit“, der „Bekämpfung schwerer Kriminalität“ oder zur „Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit“ dient. Denn: Eine solche Speichermaßnahme stelle einen schweren Grundrechtseingriff dar.
Damit ist die Sache klar, sollte man meinen. In einem Rechtsstaat strecken Exekutive und Legislative die Waffen, wenn das höchste Gericht ihre Pläne wiederholt für grundrechtswidrig erklärt… oder auch nicht. Vielleicht versuchen sie es auch einfach so lange, bis das Gericht seine Meinung ändert. Und Heureka! – den EuGH auszusitzen hat tatsächlich gefruchtet!