Warum steht das Wort „Rasse“ im Grundgesetz?


Peter Kurz | hpd.de

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„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Ein Satz, der vernünftig und gut klingt. Ein Satz, sozusagen in Stein gemeißelt, schließlich geht es um ein Grundrecht. Und doch sollte der Satz, enthalten im Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes, stutzig machen. Da ist von „Rasse“ die Rede.

Die Ampelkoalition hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag 2021 eigentlich darauf geeinigt, das Grundgesetz an dieser Stelle zu ändern. In der Vereinbarung über das Regierungsprogramm von SPD, FDP und Grünen heißt es auf Seite 121: „Wir wollen den Gleichbehandlungsartikel des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 GG) um ein Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität ergänzen und den Begriff ‚Rasse‘ im Grundgesetz ersetzen.“ Doch das auch schon in früheren Jahren diskutierte Vorhaben wurde im Februar beerdigt. Aber warum? Wie kann das sein? Wenn es doch keine Menschenrassen gibt, dann hat das Wort im Grundgesetz nichts verloren. Und ist es nicht geradezu eine Einladung, sich in böser Absicht auf die Verfassung zu berufen: Seht her, da steht doch, dass es Menschenrassen gibt! Und den Begriff dann am Ende doch in diskriminierender Absicht zu verwenden?

Der Begriff Rasse

Biologisch betrachtet bilden gemäß zoologischer Systematik alle heute lebenden Menschen eine einzige Art. Angehörige aller Populationen können sich fruchtbar miteinander paaren. Natürlich gibt es genetische Unterschiede zwischen Menschen. Doch der größte Teil der genetischen Unterschiede findet sich nicht zwischen den geographischen Gruppen, sondern zwischen den Individuen der einzelnen Populationen.

Im Jahr 1995 schrieb die „Wissenschaftliche Arbeitsgruppe der internationalen Unesco-Konferenz ‚Gegen Rassismus, Gewalt und Diskriminierung'“:

„Das Konzept der ‚Rasse‘, das aus der Vergangenheit in das 20. Jahrhundert übernommen wurde, ist völlig obsolet geworden… ‚Rassen‘ des Menschen werden traditionell als genetisch einheitlich, aber untereinander verschieden angesehen. Diese Definition wurde entwickelt, um menschliche Vielfalt zu beschreiben, wie sie beispielsweise mit verschiedenen geographischen Orten verbunden ist. Neue, auf den Methoden der molekularen Genetik und mathematischen Modellen der Populationsgenetik beruhende Fortschritte der modernen Biologie zeigen jedoch, dass diese Definition völlig unangemessen ist. Die neuen wissenschaftlichen Befunde stützen nicht die frühere Auffassung, dass menschliche Populationen in getrennte ‚Rassen‘, wie ‚Afrikaner‘, ‚Eurasier‘ (einschließlich ‚eingeborener Amerikaner‘), oder irgendeine größere Anzahl von Untergruppen klassifiziert werden könnten. Mit diesem Dokument wird nachdrücklich erklärt, dass es keinen wissenschaftlich zuverlässigen Weg gibt, die menschliche Vielfalt mit den starren Begriffen ‚rassischer‘ Kategorien oder dem traditionellen ‚Rassen‘-Konzept zu charakterisieren. Es gibt keinen wissenschaftlichen Grund, den Begriff ‚Rasse‘ weiterhin zu verwenden.“

Und 2019 veröffentlichte das Institut für Zoologie und Evolutionsforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Anschluss an eine Fachtagung die sogenannte Jenaer Erklärung, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt.

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