„Die ideologische Verwendung des Naturbegriffs ist sehr gefährlich“


Märkischer Kiefernwald,Bild: brightsblog(bb)
Märkischer Kiefernwald,Bild: brightsblog(bb)
„Die“ Natur gibt es nicht. Auch die Vorstellung von der Natur unterliegt historischen Kontexten. Darauf weist der Philosoph Michael Hampe im Gespräch mit dem Deutschlandfunk hin. Das hat Auswirkungen auf unseren Umgang mit Naturkatastrophen aber auch mit der Vorstellung von Homosexualität.


Michael Hampe im Gespräch mit Michael Köhler|Deutschlandfunk

Die Rede von der Natur sei eine ideologische, unterstrich Hampe, der an ETH Zürich lehrt, und führte aus: „Ich halte die ideologische Verwendung des Naturbegriffs für sehr gefährlich.“ Wenn man zum Beispiel sage: „Homosexualität ist unnatürlich“, was seit dem 19. Jahrhundert von diesem oder jenem getan worden sei, dann sehe man daran, was sich mit dem Naturbegriff so allerlei machen lasse. Als weiteres Beispiel brachte der 54-jährige Philosophieprofessor: „Es wird seit der Antike auch gesagt, dass das Schürfen von Erzen etwas Unnatürliches ist, wo Mutter Natur verletzt wird durch einen Tagebau.“ Nach Auffassung des Wissenschaftlers stimmt es einfach nicht, dass es unumstößliche Tatsachen über „die“ Natur gäbe. „Wir wissen nur immer etwas über einzelne natürliche Wesen, einzelne Tiere, einzelne Pflanzen, aber nichts über ‚Mutter Natur‘ im Ganzen.“

Hampe plädierte für eine unaufgeregtere Haltung zur Natur. „Auch die technisch-zivilisatorischen Entwicklungen sind ja nicht unnatürlich.“ Die Menschheit baue Häuser und Maschinen, weil sie bestimmte Naturgesetze kenne: „Wenn wir die Gravitationsgesetze nicht kennen würden, würden wir keine Statik errechnen können.“ Auch das habe etwas mit natürlichen Verhältnissen zu tun. Ohne dieses Wissen wäre die Überbauung natürlicher Flächen wie Flussläufe gar nicht möglich. „Zu sagen, dass unsere Bautätigkeit etwas Unnatürliches ist und sich dann der Fluss rächt, das halte ich eher für eine mythische Redeweise als für eine sachgerechte.“

Die logische Konsequenz daraus sei, dass man entweder mit dem Risiko von Naturgewalten wie Überschwemmungen oder Erdbeben leben müsse. Oder aber diesen Gefahren, dort wo sie am wahrscheinlichsten seien, aus dem Weg gehen müsse. Am heutigen Christi-Himmelfahrts-Tag, der bekanntlich auch der „Vatertag“ ist, zieht es Hampe übrigens vor zu arbeiten – sprich einen Aufsatz zu schreiben: „Das macht mir, glaub ich sogar, mehr Spaß, als im Wald Bier zu trinken.“

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