Die Kirche trennt sich vom christlichen Menschenbild, wenn sie AfD-nahen Mitarbeitern mit Kündigung droht


Feitina Kalani | Neue Zürcher Zeitung

Vor der Kirche ja, in der Kirche nein: Die beiden christlichen Kirchen in Deutschland positionieren sich gegen die AfD. Das Bild zeigt eine Wahlkampfkundgebung der rechten Partei im September in Nürnberg. imago

Die Diakonie ist einer der grössten Arbeitgeber Deutschlands, sie hat mehr als 627 000 Mitarbeiter. Da hat es besonderes Gewicht, was ihr Präsident Rüdiger Schuch sagt. Jetzt kündigte der Theologe in den Zeitungen der Funke Mediengruppe folgendes an: «Wer die AfD aus Überzeugung wählt, kann nicht in der Diakonie arbeiten.» Diese Leute könnten «sich im Grunde auch nicht mehr zur Kirche zählen, denn das menschenfeindliche Weltbild der AfD widerspricht dem christlichen Menschenbild». Ein Kirchenmann exkommuniziert also gewissermassen jene, deren politische Ansichten er nicht teilt.

Das lässt aufhorchen. Predigt die Kirche nicht gerade, die Ausgestossenen aufzunehmen, das schwarze Schaf in die Herde zu holen, den Sündern zu vergeben? Verweist sie nicht stets auf Jesus, der zu den Aussätzigen ging, mit Prostituierten und verhassten Zöllnern redete? Gott hasst die Sünde, nicht den Sünder, heisst es doch immer. Nun müsste man nur noch praktizieren, was man predigt.

Die Kirche tut das allerdings nicht. Sie tut genau das, was sie AfD-Anhängern vorwirft: Sie grenzt aus. Ein Vorstoss wie der von Schuch ist daher unchristlich. Er ist geeignet, die Kirche weiter zu schwächen, deren Gläubige schon längst erkannt haben, dass es sich bei ihr keineswegs um eine feste Burg handelt. Sie laufen in Scharen davon.

weiterlesen