Gottes rechte Diener


Sie lehnen die Evolutionstheorie ab, wollen Abtreibungen verbieten und ihre Kinder ohne Einfluss des Staates unterrichten. Eine Reise durch die Welt radikalkonservativer Christen von Fredy Gareis – Tagesspiegel

Es macht Armin Rohleder nichts aus, wenn man ihn hasst. Jesus habe man auch gehasst, sagt der 50 Jahre alte Berliner und blickt hinüber zu seinen zwei Töchtern, die am heimischen Schreibtisch gerade ihren Schultag beginnen.Die neun Jahre alte Andrea schlägt ihre Bibel zu und verstaut sie in einer Schublade. Tanja, elf, fasst unter den Schreibtisch und schaltet den Rechner ein. Vera Rohleder, die Mutter, unterrichtet die Kinder heute. Im Moment heißt das, sie blickt über den Rand ihrer Brille und beobachtet ihre Töchter. Die beugen sich konzentriert über die Bücher. Andrea füllt einen Lückentext mit englischen Wörtern, Tanja löst Mathematikaufgaben. Andrea und Tanja Rohleder waren schon einmal auf einer richtigen Schule, auf einer christlichen. Aber da hätten die Mädchen Dinge gelernt, die ihnen einfach nicht gut getan hätten, sagt Vera Rohleder, die früher Pädagogik studiert hat. Wie ein Penis aussieht zum Beispiel. Und was man damit tun muss, damit Kinder entstehen.

Zu Hause können die Eltern bestimmen, was die Kinder lernen, und wann. Das haben die Rohleders gemein mit den etwa 500 anderen Familien in Deutschland, die ihre Kinder zu Hause unterrichten. Die Zahl ist eine Schätzung des Vereins „Schulunterricht zu Hause“, der Eltern vor Gericht vertritt, wenn solche Fälle von Schulverweigerung den Behörden bekannt werden. Das passiert selten – noch. Denn die Deutschen, so hat eine Anfang der Woche vorgestellte Studie der Bertelsmann-Stiftung herausgefunden, sind gläubiger als öffentlich sichtbar wird. Während in den USA kein republikanischer Präsidentschaftskandidat am Einfluss der so genannten christlichen Rechten vorbeikommt, wirken die radikalkonservativen Protestanten in Deutschland zwar noch häufig unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ihren Willen, gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen, schmälert das allerdings nicht. Es sind vor allem drei Themen, die den Rohleders und ihren Glaubensgeschwistern wichtig sind: das Verhindern von Abtreibungen, die Opposition gegenüber der Evolutionstheorie und eben das Recht, Kinder zu Hause zu unterrichten.

Disziplin, fordert Armin Rohleder, dessen Wangen so glatt rasiert sind, dass sie die hereinfallende Sonne reflektieren. Disziplin und Glauben. Von seinen Kindern und Mitmenschen. Denn die Moderne richte mehr Schaden an, als sie Gutes tue. Die Menschen verlören sich im Irrgarten der Möglichkeiten. „Geistig Tote“, nennt Rohleder sie. „Der Mensch“, sagt er, „der Mensch ist nicht dazu geschaffen, autonom zu denken.“

Reinhard Junker, Buchautor und Geschäftsführer der Kreationisten -Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“. – Foto: Kienzler

Ortswechsel. Klosterreichenbach im Schwarzwald, ein Waldweg. Reinhard Junker würde den Satz von Susanne Fritzsch sofort unterschreiben. Doch sein Thema ist nicht das Ende, sondern der Anfang allen Lebens. Junker trägt einen Regenschirm. Unter seinen Sohlen knacken Tannenzapfen. Der 57 Jahre alte Reinhard Junker hat Ansichten, die sich am besten draußen erklären lassen. Junker vertritt den Kreationismus, die Lehre einer Schöpfung, die sich gegen Darwins Evolutionstheorie wendet. Das heißt, er glaubt an eine Welt, die von Gott geschaffen und seitdem im wesentlichen unverändert geblieben ist.

In Deutschland kam der Kreationismus spätestens in diesem Sommer auf die Agenda, als die hessische Kultusministerin Karin Wolff sagte, die Schöpfungsgeschichte verdiene einen Platz im Biologieunterricht. Reinhard Junker ist Co-Autor des dazu passenden Buches: „Evolution“, heißt es, „ein kritisches Lehrbuch“. Gleichzeitig ist Junker Geschäftsführer der Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“, dem Sprachrohr der deutschen Kreationisten. 230 Mitglieder hat die Gemeinschaft nach eigenen Angaben, einige davon sind Professoren an deutschen Universitäten. Seit 1979 schon versuchen sie mittels Tagungen, Vorträgen und Publikationen das „Spannungsfeld Naturwissenschaft und christlicher Glaube“ zu bearbeiten.

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5 Comments

  1. Das ist Kindesmissbrauch. Andere lassen ihre Kinder körperlich verhungern, diese Spinner lassen ihre Kinder geistig verhungern. Der Staat muss hier endlich durchgreifen und die Rechte der Kinder auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit durchsetzen. Kinder sind kein Spielzeug elterlicher Willkür und elterlicher religiöser Wahnvorstellungen.

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  2. GAnz einfach, [zyn]das liegt an denen, dies es schaffen, Kinder verhungern zu lassen…[/zyn] also am Jugendamt das weder mittel noch möglichkeiten hat sowas großflächig zu bearbeiten.

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  3. Wie die es schaffen, sich der allgemeinen Schulpflicht zu entziehen ist mir auch ein Rätsel. Wer weiß, wer da alles ein Auge zudrückt?

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  4. „Zu Hause können die Eltern bestimmen, was die Kinder lernen, und wann. Das haben die Rohleders gemein mit den etwa 500 anderen Familien in Deutschland, die ihre Kinder zu Hause unterrichten.“
    Oh, meu deus….=). Eine dumme Frage, wie schaffen es diese Familien sich dem Ministerium zu entziehen?
    Das darf nicht so weitergehen!!!

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  5. „Der Mensch“, sagt er, „der Mensch ist nicht dazu geschaffen, autonom zu denken.“

    Wenn Menschen erst anfangen, so zu denken, wird es kritisch. Das ist der Anfang vom Ende. Der Weg geradeaus in die vollständige, kindlich-kindische Unmündigkeit, die ihrerseits die Voraussetzung für allerlei Manipulationen von jeweils stark daran interessierter Seite ist: Gurus, Pfaffen, Gemeindevorsteher, religiöse Haustyrannen, Päpste, Dalai-Lamas, Kartenleger, Astrologen, kurz: das ganze Heer der selbsternannten Gottesinterpreten, Sinnstifter und sonstiger geistig-moralischer Scharlatane.

    Ein großes, bedrohliches in seinen Wirkungen nicht zu unterschätzendes Grundübel unserer Tage.

    Welche Antworten werden darauf all jene geben, die sich das eigenständige und damit eigenverantwortliche Denken bewahrt haben?

    Möglicherweise sind Schriften, wie: „Das Humanistische Manifest“ ein erster Schritt auf dem Weg zur Aufklärung der Massen. Wollen wir es hoffen…

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