Mehr Wahrhaftigkeit in Debatte um Schöpfung und Evolution gefordert


Der Weltanschauungsbeauftragte der württembergischen Landeskirche, Hansjörg Hemminger, stellt Mängel auf beiden Seiten fest.

K ö l n (idea) – Mehr Wahrhaftigkeit in der Debatte um Evolution und Kreationismus (Schöpfungslehre) hat der Weltanschauungsbeauftragte der württembergischen Landeskirche, Hansjörg Hemminger (Stuttgart), von beiden Seiten gefordert.

Am Rande eines Seminars zum Thema „Schöpfung und Evolution – ein Widerspruch?“ auf dem Missionale-Treffen in Köln am 23. Februar sagte Hemminger gegenüber idea, die Vertreter des Kreationismus hätten teilweise Wahrhaftigkeits-Defizite, wenn es um naturwissenschaftliche Erkenntnisse gehe. Andererseits seien manche Naturwissenschaftler ideologische Hardliner und zeigten in der weltanschaulichen Debatte ebenfalls Wahrhaftigkeits-Mängel. Im Bildungssystem gebe es mitunter eine „religionskritische Propaganda“, mit der sich Christen auseinandersetzen müssten. Allerdings halte er es für einen schlechten Weg, als Antwort darauf eine christliche Naturwissenschaft zu entwickeln.

Gott als Lückenbüßer?
Vor den etwa 350 Besuchern des Seminars wandte sich Hemminger dagegen, in naturwissenschaftlichen Theorien nach Lücken zu suchen, um dort Gott einsetzen zu können. Er halte es für schwierig, mit einem Plädoyer dafür, dass Gott die Welt in sechs Tagen erschaffen habe – wovon der Kurzzeit-Kreationismus ausgeht –, Menschen für den Glauben zu gewinnen. Hingegen rühre die Nachricht von der selbstlosen Liebe Gottes viele an. Hemminger wünscht sich mehr überzeugte Christen, die anerkannte Wissenschaftler seien. Als Beispiel nannte er den Mikrobiologen Prof. Siegfried Scherer (München), der auch mit einer kreationistischen Position einen Lehrstuhl für Naturwissenschaft bekommen habe. Scherer hat sich inzwischen vom Kreationismus etwas distanziert. Der Moderator des Seminars, der Leiter der Evangelistenschule Johanneum Burkhard Weber (Wuppertal), warb um einen besseren Umgang mit Debatten-Gegnern: „Vielleicht würde es manchen gut tun, wenn sie mal gemeinsam einen Psalm beten würden.“

7 Comments

  1. Ist schon eine ambivalente Situation in der er sich da befindet, ist so ne Übung sitzen auf zwei Stühlen, ohne runter zu fallen.

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  2. Hemminger hat ein Problem, weil er auf der einen Seite die Methoden und Ergebnisse der Naturwissenschaften anerkennt, auf der anderen Seite aber Theist ist. Er steuert zwischen Scylla (durchgängier Naturalismus) und Charybdis (YEC). Auf der einen Seite wird seine Auffassung vom Christentum dadurch bedroht, wenn wir Naturalisten unsere Position ernst nehmen. Das ist eine direkte Bedrohung seines Glaubens, denn ein Gott, der nicht eingreift, ist so wertvoll wie keiner. Auf der anderen Seite wird ihm von Evangelikalen unterstellt, dass er nur ein ‚Christentum light‘ vertritt. Wenn man sich dafür interessiert, was ich damit meinen könnte, sollte man einfach die theologischen Passagen beispielsweise in

    Hemminger, H. (1988) ‚Kreationismus zwischen Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft. Orientierungen und Berichte Nr. 16‘ Stuttgart, EZW

    oder

    Hemminger, H. (2007) ‚Mit der Bibel gegen Evolution. Kreationismus und „intelligentes Design“ – kritisch betrachtet‘ Stuttgart, EZW

    lesen.

    Hemmingers Analysen des YEC sind vorbildlich, was er zu ID schreibt, ist auch noch im ‚grünen Bereich‘, aber was er zu Wort und Wissen schreibt, scheint mir nicht immer korrekt zu sein.

    Nicht einverstanden bin ich damit, wie Hemminger zurzeit versucht, Scherer gegen Wort und Wissen auszuspielen. Die Position von Wort und Wissen ist nicht leicht konkret zu fassen, aber sie steht deutlich in etlichen Arbeiten, am konkretesten zusammenfassend wohl in

    Junker, R. (2007) ‚Kreationismus: Theologische Motivation und naturwissenschaftliche Aspekte‘ in: Klinnert, Lars ‚Zufall Mensch? Das Bild des Menschen im Spannungsfeld von Evolution und Schöpfung‘ Darmstadt, WBG S. 127-145

    Mir wäre neu, dass sich Scherers Position wesentlich von dem unterscheidet, was Junker dort ausführt. Dass Wort und Wissen, ganz im Gegensatz zu den Kreationisten aus Amiland, stets betont, dass es ein Problem hat, eine junge Erde plausibel zu machen, müsste Hemminger eigentlich bekannt sein.

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  3. @Martin
    Danke für die Aufklärung, so kann es gut gemeint sein. Dann ist es nichts berauschend Neues, sondern bloß eine Wiederholung des gleichen alten Strohmannes.
    Wobei es idT vorstellbar ist, daß Herr Hemminger die wissenschaftliche Methodologie nicht verstanden hat, und daher naturwissenschaftliche Wahrheitsaussagen für irgendwas Metaphysisches hält, das irgendeinen Absolutheitsanspruch habe.

    Halten wir ihm also zugute, daß es kein absichtliches Mißverstehen ist. Das macht es aber nur wenig besser, denn derlei Begriffsverwirrungen sind nicht so schwer zu vermeiden. Aber wenn einer schon von „Wahrhaftigkeit“ redet… :/

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  4. „Vielleicht würde es manchen gut tun, wenn sie mal gemeinsam einen Psalm beten würden.“

    Ich glaube, in der Kirche hat man noch nicht recht verstanden, was „Streitkultur“ bedeutet. 😉
    Außerdem habe ich öfter den Eindruck, dass Gläubige nur deswegen vor dem „Hass der Atheisten“ warnen, weil sie sich nicht vorstellen können, dass eine Auseinandersetzung auf die Diskussion beschränkt bleibt. Manche Gläubige können aus ihrer eigenen Erfahrung wohl nur schließen, dass nach verbalen Attacken auch reale Gewalt bzw. Unterdrückung folgt.
    Insofern kann ich es Herrn Henninger eigentlich nicht verübeln, von „ideologischen Hardlinern“ auf wissenschaftlicher Seite zu sprechen.
    Glaube ist es nicht gewohnt nur mit Argumenten zu Kämpfen. Wir sollten deshalb immer wieder deutlich machen, dass die Diskussion unsere einzige und beste Waffe ist und bleibt.
    LG

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  5. Wenn ich Hemminger richtig verstehe (ich kenne einige seiner esoterik- und sektenkritischen Artikel und habe mich in seinen Stil eingelesen), meint er mit „Wahrhaftigkeit“ die Abwesenheit einer „versteckten Agenda“ oder „frei von Hintergedanken“. Aus seiner Sicht hätten also die Hardline-Naturwissenschaftler eine religionfeindliche Agenda, die sie in ihre Darstellung naturwissenschaftlicher Forschungsergebnisse und Theorien einfließen lassen würden – so, wie es Fundi-Christen in ihre „Bibelarbeit“ gern anti-humanistische Propaganda einbauen. Naturwissenschaftler seien außerdem unaufrichtig, wenn sie , wie es seiner Ansicht nach häufig geschieht, die in Wirklichkeit stets vorläufigen Erkenntnisse der Wissenschaft zur „Wahrheit“ erklären würden.
    Ich habe den Eindruck, dass Hemminger den methodologischen Atheimus der Naturwissenschaften dabei großzügig unter den Tisch fallen läßt und die skeptische Grundeinstellung der Naturwissenschaftler unterschätzt.

    Einen guten Eindruck von Hemmingers Argumentation gibt dieser schon etwas ältere Aufsatz über Kreationismus zwischen Schöpfungsglaube und Wissenschaft: http://www.evolutionsbiologen.de/ezw16.pdf

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  6. Das ist die Frage, was meint er mit dem Begriff Wahrhaftikeit in diesem Zusammenhang?
    Es klingt wie ein metasprachliches Synonym. Wissenschaft ist ja zunächst nur ein Werkzeug um die Welt zu betrachten, Wissenschaftler ideologisieren ja nun mal nicht. Sollen sie bei ihren Forderungen weniger Rationalität zu lassen und mehr Irrationalität? Scheint fast so.

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  7. Wahrhaftigkeit? Was soll das bedeuten, in diesem Kontext?

    Soll es heißen, daß einige Vertreter des Kreationismus und der Hardliner-Naturwissenschaft unehrlich oder unaufrichtig seien? Würde es der Debatte dann helfen, wenn diese den Kreationismus bzw. die Hardliner-Naturwissenschaft ehrlich oder aufrichtig vertreten würden?

    Oder ist etwas ganz anderes gemeint?

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