Gibt es einen Beweis, dass es keine Wunder gibt?


Das hängt wieder davon ab, wie man Wunder definiert. Man kann vom „Wunder der Geburt“ reden, oder dem „Wunder der Technik“, was lediglich bedeutet, dass man es sich nicht erklären kann. Kann man es erklären, dann nennt man das „Entzauberung der Welt“, aus dem Wunder wurde das Erklärbare. Manche werfen es der Wissenschaft geradezu vor, die Welt zu entzaubern, aber das heißt ja nur, dass sie ihren Job gemacht hat.

Volker Dittmar | Richard-Dawkins-Foundation

Foto: Pixabay.com / Terranaut

Meist wird der Begriff „Wunder“ aber definiert als: Ein Ereignis, das den geltenden Naturgesetzen widerspricht. Dieser Definition liegt ein Irrtum über das Wesen der Naturgesetze zugrunde, denn Naturgesetze sind keine Gesetze, gegen die man verstoßen kann oder auch nicht. Es ist gegen das Gesetz, über eine rote Ampel zu fahren, es ist aber möglich. Genau das ist mit „Naturgesetz“ nicht gemeint. Vielmehr ist ein Naturgesetz eine Beschreibung, wie sich die Dinge tatsächlich verhalten. Es handelt sich um ein Modell der Natur, mit dem wir einerseits versuchen, die Naturgeschehnisse, die wir beobachten oder messen, zu beschreiben und zu erklären, und das uns andererseits Vorhersagen ermöglicht.

Man nehme ein Bild eines Künstlers und beschreibe es mit Worten. Die Worte bilden das Modell, mit dem wir das Bild beschreiben. Kann jetzt die Beschreibung gegen das Bild verstoßen? Ja, aber dann ist nicht das Bild falsch, sondern unsere Beschreibung. Die Beschreibung schreibt dem Bild nicht vor, wie es auszusehen hat. Es gibt demjenigen, der die Beschreibung hört, nur eine mehr oder weniger zutreffende Vorstellung und mehr oder weniger vollständige Beschreibung von dem Bild.

Genau das sind Naturgesetze: Modellhafte Beschreibungen der Natur. Sie können die Natur fehlerhaft oder unvollständig beschreiben, und wenn wir das entdecken, wird das Naturgesetz eben entsprechend korrigiert.Man müsste Wunder also eigentlich definieren als ein Ereignis, das einen Fehler in unserer Beschreibung der Natur deutlich macht. Aber das ist von denen, die über Wunder reden, nicht gemeint. Man könnte es auch definieren als Ereignis, das den Naturgesetzen scheinbar widerspricht. Das wird auch nicht gemeint, denn dann wäre jeder Zaubertrick ein Wunder. Oder man könnte es definieren als ein Ereignis, das dem bekannten Stand der Naturgesetze scheinbar oder tatsächlich widerspricht. Widerspricht es scheinbar, dann müssen wir an den Naturgesetzen nichts ändern, widerspricht es ihnen tatsächlich, so müssen wir unsere Beschreibung der Natur anpassen und verbessern.

Manchmal nennen wir auch einfach sehr unwahrscheinliche Ereignisse ein Wunder: „Das Auto kam von der Fahrbahn ab, krachte die Böschung runter und überschlug sich mehrfach. Wie durch ein Wunder wurde der Fahrer dabei nicht verletzt“. In diesem Sinne gibt es Wunder, und wir brauchen keinen Beweis ihrer Nichtexistenz, denn unwahrscheinliche Dinge passieren täglich. Auch „das Wunder der Technik“ aus dem ersten Absatz gibt es ja wirklich.

Wenn wir Wunder aber so definieren, wie es allgemein gemacht wird, etwa in den Religionen, aber auch der Esoterik, dann ergibt diese überhaupt keinen Sinn. Nur weil etwas unerklärlich ist, muss es sich nicht gleich um einen „Verstoß“ gegen die Naturgesetze handeln, denn gegen diese kann man nur „verstoßen“, wenn man ein völlig falsches Verständnis davon hat, worum es sich handelt. Wenn man also denkt, die Naturgesetze würden der Natur irgendwelche Vorschriften machen, dann kommt man zu einer solchen bereits im Ansatz falschen Definition.

In der Religion könnte man das noch halbwegs kompensieren, wenn man Wunder definiert als ein Eingreifen Gottes, bei denen der natürliche Ablauf der Dinge so manipuliert wurde, dass das Ergebnis ein anderes ist, als wenn Gott nicht eingegriffen hätte. Allerdings lässt sich so etwas nicht beweisen, weil nicht klar ist, ob es sich um ein Ereignis handelt, das lediglich auf einen Fehler in unserer Naturbetrachtung aufdeckt. Man müsste also zunächst beweisen, dass ein Wunder unmöglich ist — aber wenn es unmöglich ist, kann es auch nicht geschehen sein. Ist es geschehen, dann ist es möglich, alles was geschieht, muss auch möglich sein.

Das Problem ist, dass man im Monotheismus Gott von der Natur abgetrennt hat. Dabei meint man mit Natur eigentlich nur Dinge, die nicht von Menschen geschaffen oder manipuliert wurden. Was immer man auch als übernatürlich beschreibt, lässt sich nicht logisch konsistent definieren. Übernatürlich ist entweder ein Synonym für „Unerklärlich“ oder „Unwissenheit“, oder es ergibt nicht den geringsten Sinn.

Würde man sich auf eine sinnvolle Definition von Worten einlassen, dann ist ein Gott, der nicht zur Natur gehört, folglich etwas von Menschen Ausgedachtes, ein Produkt unserer Kultur als falsche Vorstellung von den Dingen. Oder aber, Gott gehört zur Natur, dann hat man das Problem, dass Gott die Natur erst geschaffen haben soll — auch seine eigene? Gott hat die Natur nicht geschaffen, wenn er Teil derselben wäre. Dann wäre die Definition von „Gott als dem Schöpfer der Natur“ aber falsch.

Der übernatürliche Gott ist folglich reiner Unsinn. Wer nichts von den Worten versteht, die er benutzt, der kommt auf solche absurden Ideen.

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