75 Jahre Grundgesetz: Säkulare Verfassung? Denkste!


Peter Kurz | hpd.de

Immerhin sind nach Zahlen der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) 44 Prozent der Menschen in Deutschland konfessionsfrei. Der katholischen Kirche fühlen sich 25 Prozent und der evangelischen Kirche 23 Prozent zugehörig. Die Zahlen gelten für das Jahr 2022 und verschieben sich infolge von Kirchenaustritten weiter zugunsten der Konfessionsfreien. Dennoch hält das Grundgesetz Privilegien für die Kirchen bereit, die von allen, also auch von den konfessionsfreien Menschen, mitgetragen und -bezahlt werden müssen.

Ewiges Leben

Vorweg: Das Grundgesetz hat eine hübsche Gemeinsamkeit mit dem christlichen Glauben. So wie Christen an das ewige Leben glauben, so gibt es auch im Grundgesetz eine sogenannte Ewigkeitsklausel. In Artikel 79 Absatz 3 heißt es: „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“ Achtung der Menschenwürde, Demokratieprinzip, Gewaltenteilung – all das ist verbindlich auf ewig, jedenfalls so lange das Grundgesetz gilt. Diese Ewigkeit kann zwar nicht mit religiösen Maßstäben mithalten, aber auch sie dauert nun immerhin schon 75 Jahre.

Gottesbezug in der Präambel

Doch zurück zum Laizismus, dem Prinzip der Trennung von Religion und Staat. Ist das eingehalten? Zweifel kommen bereits bei Lektüre der Präambel, dem Vorwort des Grundgesetzes, auf. Da heißt es: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“

Dieser Gottesbezug schon ganz am Anfang, noch vor den Grundrechten, sät Zweifel an einer strikt säkularen Verfassung. Einem Grundgesetz, das doch neutral sein sollte gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern – unabhängig von der religiösen Überzeugung oder Weltanschauung.

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