Horst Tappert hätte Maximilian Krah nicht gefeuert


Ruth Berger | TELEPOLIS

Musste sich der Debatte nie stellen: Ehemaliger SS-Mann Tappert, hier mit Heide Hansen und Katharina Focke, 1971. Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F034156-0025 / Reineke, Engelbert, CC-BY-SA 3.0

Wenn in Frankreich, einem Opfer deutschen Krieges und deutscher Besatzung, extreme Nationalisten verschnupft auf SS-Zugehörigkeit-Apologetik eines Mannes reagieren, der auch sonst bei seinen politischen Geschwistern in der Rechtsauslegerfraktion des EU-Parlaments nicht beliebt ist, so kann das kaum verwundern.

Staunen muss man allerdings, wenn deutsche Journalisten und Politiker angesichts der Äußerungen des AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah, entrüstet tun.

Krah hat laut deutschen Medien bezogen auf 900.000 SS-Angehörige bei Kriegsende, fast alle Waffen-SS, gesagt, es habe unter ihnen zwar „einen hohen Prozentsatz an Kriminellen gegeben, aber nicht nur“, und er sehe nicht automatisch jeden SS-Angehörigen als Verbrecher an, sondern die Schuld müsse stets „individuell beurteilt‘ werden“.

Krah und der Nachkriegskonsens: Lasche Urteile gegen SS-Leute

Das sind nun aber aus deutscher Perspektive recht banale Äußerungen. Krah formulierte nicht mehr und nicht weniger als den deutschen juristischen und gesellschaftlichen Nachkriegskonsens zum Umgang mit SS-Leuten bis einschließlich heute, wobei dieser Konsens sogar zu noch lascheren Urteilen führte, als Krah hier formuliert.

Mir ist zum Beispiel nicht bekannt, dass gegen Günter Grass auch nur ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden wäre, als er 2006 offenbarte, ein vom Nationalsozialismus überzeugtes und stolzes Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein („Elitetruppe“). Mord und Beihilfe zum Mord verjähren wohlgemerkt nicht.

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