„Noch nie war der Islam im Iran so verpönt wie heute“


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Ohne Kopftuch darf sich keine Frau in der Öffentlichkeit zeigen. (Bild: rtr)

Von Arno Widmann – FR-online.de

Der deutsch-iranische Schriftsteller Said über den Kampf der Kultur gegen die Mullahs, die frühere Sympathie der europäischen Linken für Khomeini und warum die Islamische Republik bis heute die Frauen nicht besiegt hat.

Herr Said, Sie sind 1965 im Alter von 17 Jahren nach Deutschland gekommen. Warum?

Zum Studieren. Deutschland war ein beliebtes Einreiseland, weil man hier auch ohne viel Geld leben konnte. Meine Familie war nicht reich.

Waren Sie damals auch in einer der Studentenorganisationen gegen das Schah-Regime aktiv?

Ja, in der CISNU. Ein paar Wochen nach meiner Ankunft bin ich da hineingeraten, und damit schien meine Rückreise auf lange Sicht unmöglich geworden zu sein. Wir haben ja nie geglaubt, dass es zum Sturz des Schahs kommt, schon gar nicht durch einen klerikalen Führer. Bis 1977 habe ich daran nicht geglaubt.

Nun war die CISNU ja eine linke Studentenorganisation.

Richtig.

Also hatten Sie zu den klerikalen Iranern in Deutschland gar keinen Kontakt?

Wir haben die nicht ernst genommen. Ich habe auch nach Khomeinis Machtübernahme nicht geglaubt, dass er sich lange hält, dass diese heterogene iranische Gesellschaft ihm erlaubt, die Kultur quasi abzuschaffen. Aber die Kultur ist eine sehr zierliche, verletzbare Pflanze.

Der Schah hatte die säkulare Gesellschaft gestärkt. Waren Sie deshalb davon überzeugt, dass die Mullahs auf Dauer keine Chance hätten?

Dass die säkulare Gesellschaft nicht so gefestigt war, wie viele dachten, ist eine der Lehren aus dieser Geschichte. Anders gesagt: Wir wurden von Khomeini überrumpelt.

Selbst die westdeutsche Linke hat damals mit Khomeini geliebäugelt: Der spätere Bundesaußenminister Fischer etwa schrieb im Frankfurter Stadtmagazin Pflasterstrand einen Artikel mit der Überschrift „Das wilde Kurdistan“. Darin vertrat er die These, dass ohne Religion keine Revolution mehr möglich sei.

Die ganze europäische Linke hat in Khomeini sogar eine Art dritten Weg gesehen, also nicht kapitalistisch, nicht sozialistisch. Und ich erinnere mich an eine Rede von Daniel Cohn-Bendit, in der er diesen dritten Weg entschieden begrüßte.

Wissen Sie noch, wann das war?

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3 Comments

  1. alice Schwarzer hat damals drauf hingewiesen, daß Khomeini keine Lösung sein kann.
    Darauf wurde behauptet, daß sie ne Schah-Anhängerin wäre (totaler Unsinn).
    Was die Herren Linken so verzapften, war ja auch anderweitig teils, hm, grenzwertig.
    tja…

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  2. Gutes Interview. Was Said sagt, hat aber auch etwas Gutes: er weist darauf hin, dass ein Gottesstaat zwar heute noch existieren, aber nicht gut funktionieren kann.
    Auch interessant ist die Verbindung der westlichen Linken mit dem religiösen Regime – dieser extreme belief in belief ist bisweilen leider immer noch da.

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