Wie das Bewusstsein in Raum und Zeit entsteht


Bei psychischen Krankheiten verändert sich die Wahrnehmung. Das beschäftigt den Psychiater und Neurowissenschafter Georg Northoff. Im Gespräch mit Lena Stallmach erklärt er, wie seine Theorie des Bewusstseins ihn auf neue Behandlungskonzepte brachte.

Lena Stallmach | Neue Zürcher Zeitung

«Theorien über das Bewusstsein sind wie Zahnbürsten. Jeder hat eine, und keiner will diejenige des anderen verwenden.» Das hat kürzlich ein Forscher an der Konferenz über Bewusstseinsforschung in Interlaken gesagt. Was halten Sie von diesem Vergleich?

Das spiegelt sehr gut den Stand unseres Wissens: Wir wissen nicht, was Bewusstsein ist. Wir können es nicht definieren, wir kennen die neuronalen Mechanismen dahinter nicht, und es fehlen uns die Messinstrumente. Das zeigt, dass die Neurowissenschaft in einem sehr frühen Stadium ist, wie ein kleines Kind, das laufen lernt und umfällt, wieder aufsteht und weiter probiert.

Auch Sie haben Ihre eigene Theorie des Bewusstseins entwickelt.

Ja, natürlich. Ich bin Philosoph, Psychiater und Neurowissenschafter. Ich habe deshalb verschiedene Einflüsse und Herangehensweisen, die ich in meinen Ansatz einbringe: Konzepte aus der Philosophie bei der Definition von Bewusstsein, verschiedene neurowissenschaftliche Modelle, und aus der Psychiatrie treiben mich die Phänomene um, die man sieht, wenn das Bewusstsein verändert ist.

Was macht Ihre Theorie aus?

Für mich sind Raum und Zeit ganz wesentliche Merkmale des Bewusstseins und auch des Gehirns. Aber wenn ich von Raum und Zeit spreche, meine ich nicht die Zeitpunkte, die wir wahrnehmen und messen. Sondern ich meine die Konstruktion oder besser gesagt die Dynamik von Raum und Zeit, die auch die Physiker meinen, wenn sie dynamische Systeme beschreiben. Das Gehirn konstruiert seinen eigenen räumlichen und zeitlichen Massstab. Laut meiner Theorie des Bewusstseins ist die Dynamik von räumlich-zeitlichen Eigenschaften sowohl im Gehirn als auch im Bewusstsein manifest und kann so in die eine oder andere Form transformiert werden.

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