So geht Menschenwürde – sagt der Vatikan


Peter Kurz | hpd.de

Die Würde des Menschen ist unantastbar. So sagt es Artikel 1 des Grundgesetzes. Aber was bedeutet Menschenwürde? Gewiss ist damit das gemeint, was in der 75 Jahre alten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen unter Schutz gestellt (und doch allzu oft verletzt) wird. Auch Artikel 1 des Grundgesetzes erwähnt die „unveräußerlichen Menschenrechte“. Der Vatikan wird nun konkreter. Und erklärt, was aus seiner Sicht unter Menschenwürde zu verstehen ist. Vor allem: welches politische, gesellschaftliche Handeln gegen die Menschenwürde verstoße.

Fünf Jahre lang hat man in Rom an einem etwas mehr als 20 Seiten starken Papier gefeilt. Eine Art Leitlinie, gerichtet an die weltweit rund 1,4 Milliarden Katholiken. Darin: Selbstverständlichkeiten, katholischer Dogmatismus, aber durchaus auch politische Einmischung. In einem Vorwort der Erklärung mit dem Namen „Dignitas infinita“ schreibt Víctor Manuel Kardinal Fernández, Präfekt im Vatikan, das Papier wolle Denkanstöße bereitstellen. Denkanstöße, „die uns helfen, diese Thematik in der komplexen geschichtlichen Situation, in der wir leben, im Auge zu behalten, damit wir uns inmitten so vieler Sorgen und Ängste nicht verirren und uns nicht noch mehr zerreißenden und tiefen Leiden aussetzen.“

Vieles von dem, was insbesondere im abstrakt-einleitenden Text gesagt wird, dürften die allermeisten Deutschen unterschreiben, auch wenn sie nicht der katholischen Kirche angehören. Da geht es um die Verwerflichkeit von Kriegen (die Rede ist von einem „dritten Weltkrieg in Abschnitten“). Um die Notwendigkeit von Artenschutz. Um die Bekämpfung der Klimakrise oder auch um die Verurteilung der Todesstrafe und die Menschenrechte von Migranten.

Auch wird auf die Schattenseiten hingewiesen, die die Digitalisierung mit sich bringe. Da heißt es: „In der digitalen Kommunikation will man alles zeigen, und jeder Einzelne wird auf anonymem Weg zu einem Objekt, das bespitzelt, entblößt und in die Öffentlichkeit gezerrt wird. Die Achtung vor dem anderen bröckelt, und auf diese Weise – gerade wenn ich ihn verdränge, ihn nicht beachte und auf Distanz halte – kann ich ohne irgendeine Scham bis zum Äußersten in sein Leben eindringen“. Dabei werden gleichzeitig die Möglichkeiten der Begegnung gepriesen, die das Internet biete. Und wer hat diese geschaffen? Der Vatikan weiß es: das Internet sei schließlich ein „Geschenk Gottes“.

Es gibt eine Reihe von Themen, für die das päpstlich abgesegnete Papier der katholischen Kirche den rund 21 Millionen Deutschen unter ihren Schäfchen einen Weg weist, was diese zu politisch und gesellschaftlich heiß diskutierten Themen zu denken haben. Von Abtreibung über Sterbehilfe, von Leihmutterschaft bis zu geschlechtlicher Selbstbestimmung reichen die Vorgaben an die eigene Gefolgschaft.

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