„Viele reaktionäre Christen pflegen ähnliche Feindbilder wie die AfD“


Steffen Zimmermann | katholisch.de

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Seit der vor allem als Distanzierung gegenüber der AfD verstandenden Erklärung „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“ der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) wird in der katholischen Kirche neu über den richtigen Umgang mit der Partei und mit rechtspopulistischen Strömungen in den eigenen Reihen diskutiert. Im Interview mit katholisch.de äußert sich Katja Voges, Leiterin des Teams Menschenrechte und Religionsfreiheit beim katholischen Hilfswerk missio Aachen, zur Relevanz der DBK-Erklärung und zur Frage, was nun konkret darauf folgen muss. Außerdem erklärt sie, warum Rechtspopulisten in den vergangenen Jahren verstärkt Bezug auf das Christentum genommen haben und was Christen und Kirchen dagegen tun können.

Frage: Frau Voges, die deutschen Bischöfe haben bei ihrer Vollversammlung in Augsburg in einer einstimmig verabschiedeten Erklärung konstatiert, dass völkischer Nationalismus mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar ist. Wie bewerten Sie diese Erklärung?

Voges: Als ein total wichtiges Signal. Die Bischöfe haben sich damit in einer zentralen gesellschaftlichen und politischen Frage klar positioniert. Das ist sehr viel wert und stärkt all jenen den Rücken, die sich vor Ort – etwa in ihren Gemeinden – gegen extremistische Umtriebe engagieren. Hinzu kommt, dass die Erklärung wirklich gut formuliert ist. Sie benennt sehr deutlich die Gefahren, die aus völkischem Nationalismus und Rechtsextremismus erwachsen – macht zugleich aber auch ein Gesprächsangebot an jene Menschen, die für diese Ideologien empfänglich, aber dennoch gesprächswillig sind.

Frage: Die Erklärung wurde medial vor allem als Distanzierung der Bischöfe von der AfD gewertet, dabei wird die Partei nur in zwei Sätzen direkt erwähnt. Ist die Berichterstattung in den Medien dem Inhalt der Erklärung gerecht geworden oder hätten Sie sich eine breitere inhaltliche Rezeption gewünscht?

Voges: Dass die Erklärung öffentlich so stark als Positionierung gegen die AfD gewertet wurde, liegt natürlich daran, dass die Partei in vielen Umfragen und auch bei einigen Wahlen zuletzt hohe Zustimmungswerte erreicht hat. Zudem stehen wir in diesem Jahr vor drei wichtigen Landtagswahlen, bei denen die reale Gefahr besteht, dass die AfD jeweils stärkste Kraft wird. Außerdem sind bereits drei Landesverbände als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft worden. Insofern kann ich die öffentliche Fokussierung auf die Aussagen der Bischöfe über die Partei nachvollziehen. Dennoch denke ich in der Tat, dass eine breitere Rezeption der Erklärung wichtig wäre. Denn völkischen Nationalismus gibt es ja nicht nur in der AfD, sondern auch jenseits der Partei – etwa auch unter reaktionären Christen. Auch darüber muss man reden.

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