Was ist die Ursache des ethischen Relativismus?


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Ihrer Auffassung nach sind bestimmte Charaktereigenschaften oder Handlungen nicht eindeutig gut (z.B. die Rechte anderer Menschen achten), böse (Menschen ermorden) oder neutral (Schoko- oder Vanilleeis essen), sondern es ist demnach rein subjektiv, wie man sie bewertet. Es mag von einem Individuum persönlich abhängen oder von der Kultur, in der man lebt, von der eigenen sozialen Gruppe, vom eigenen Gott, aber jedenfalls ist es nicht universell anhand von Fakten feststellbar, was gut und was böse ist. In China essen sie Hunde.

Von Andreas Müller | Richard-Dawkins-Foundation

Mir ist aufgefallen, dass in der Philosophiegeschichte unterschiedliche Gründe für eine solche Position angeführt wurden. Beispiele für ethischen Relativismus findet man unter anderem bei den altgriechischen Sophisten (die Kulturrelativisten gewesen sein sollen), bei den Emotivisten des 18. und 20. Jahrhunderts (ethische Wertungen sind nur Ausdruck unserer emotionalen Haltungen), bei Friedrich Nietzsche im 19. Jahrhundert und bei anderen Deterministen wie etwa den Marxisten (Moral wird nicht durch menschliche Willensentscheidungen, sondern durch externe Faktoren wie die ökonomische Klasse bestimmt) und bei den Pragmatikern des 19. und 20. Jahrhunderts (moralisch ist, was „funktioniert“).

Im wissenschaftlichen Bereich ist der ethische Relativismus bei Anthropologen weit verbreitet, was ich für zumindest verständlicher halte als bei allen anderen, denn man man seine Karriere mit der Analyse verschiedener Kulturen verbringt, kann es leicht so erscheinen, als gäbe es nur eine Vielfalt ethischer Vorstellungen und keinen objektiven Maßstab für moralische Werte.

Was ist ein objektiver Moralmaßstab?

Um kurz anzureißen, was ich mit einem solchen „objektiven Maßstab“ der Ethik meine: Laut meiner humanistischen Auffassung ist das menschliche Leben jener objektive Maßstab der Ethik. Man sollte Handlungen also danach beurteilen, ob sie dem menschlichen Leben dienen oder nicht. Den Menschen verstehe ich als vernunftbegabte Lebensform mit einem freien Willen.

Der Begriff „objektiv“ bedeutet in der hier gebrauchten aristotelischen im Gegensatz zur modernen Tradition nicht so etwas wie „vom Menschen unabhängig“ oder „aus der Sicht eines außenstehenden Betrachters“, sondern er bedeutet „faktenbasiert“ im Gegensatz zu „subjektiv“, das heißt willkürlich, etwa beruhend auf persönlichen Launen, Wünschen, spontanen Einfällen oder Göttern. Es gibt Fakten über die menschliche Natur und über die angemessenen Überlebensbedingungen für eine Lebensform, wie wir eine sind. Eine Ethik, die auf diesen Tatsachen aufbaut, kann einen Anspruch darauf erheben, objektiv zu sein (was nicht dasselbe ist wie „unfehlbar“).

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