Charles Taylor: Säkularität kann Chance für die Religion sein


„Eine Kultur total zu akzeptieren oder total abzulehnen ist absurd“ , meint Taylor.© Stanislav Jenis

Der kanadische Philosoph Charles Taylor meint, dass Säkularität eine Chance für die Religion sein kann

Von Stefan Beig Wiener Zeitung

Kopftuch, Minarette, Beschneidung: Religion bleibt im säkularen Europa ein emotionales Thema. Der kanadische Philosoph Charles Taylor (Jahrgang 1931) befasst sich seit Jahrzehnten mit Konzepten der Multikulturalität und der Moderne. Er hatte zahlreiche Gastprofessuren inne, lehrte vor allem an den Universitäten von Montréal und Oxford. 2010 wurde ihm für sein Buch „Ein säkulares Zeitalter“ der Bruno-Kreisky-Preis zugesprochen.

Mit der „Wiener Zeitung“ sprach er über Formen des Religiösen heute, Islamophobie, Wurzeln der Säkularität und ihre Vorteile für die Religion.

„Wiener Zeitung“: Im säkularen Europa wird Religion immer wieder zum öffentlich heiß diskutierten Politikum. Warum?

Charles Taylor: Die Konflikte kreisen um den Ort der Religion in der Öffentlichkeit. Hinter den Auseinandersetzungen liegt oft eine lange Geschichte. Die öffentlichen Feiertage Österreichs sind katholisch, auch die in Frankreich. Selbst nicht-religiöse Menschen wollen gewisse katholische oder protestantische Wurzeln nicht verlieren. Für manche scheint nun der Islam über bestimmte Kleidungen die öffentliche Sphäre einzunehmen. So argumentiert Marine Le Pen: Frankreich hat christliche Wurzeln, die Muslime gehören nicht dazu.

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