Erosion der deutschen Wahl-Demokratie


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Das Ergebnis der Bundestagswahl und die krisengeprägte Regierungskoalition verdeutlichen anhaltende Erosionen des bundesdeutschen Wahlsystems.

Kai Kleinwächter | TELEPOLIS

Die krisenhaften Ergebnisse der Landeswahl in Bayern, sollten Anlass sein das Gesamtsystem der bundesdeutschen Wahldemokratie zu überdenken. Seit 1949 durchlief das parlamentarisch-politische System der BRD vier Entwicklungsphasen. Symptomatisch dafür sind vor allem die Stärke bzw. der Niedergang der „großen“ Parteien SPD und Union (CDU/CSU).

In den Anfangsjahren der BRD war das politische Spektrum zersplittert. Im ersten Bundestag saßen neun Parteien. Weitere Parteien scheiterten an der Sperrklausel („Fünf-Prozent-Hürde“). Eine Wahlbeteiligung von unter 80 Prozent sowie ein hoher Anteil ungültiger Stimmen signalisierten eine gewisse Distanz von Teilen der Bevölkerung zum neuen Staat.

Vor allem auf Grund des anhaltenden Wirtschaftsaufschwungs inklusive der drastisch sinkenden Arbeitslosigkeit und sozialen Verbesserungen (bspw. die Rentenreform von 1957) konsolidierte sich die parlamentarische Demokratie. Innerhalb von zehn Jahren stieg die Wahlbeteiligung auf über 86 Prozent.

Dahinter stand auch die tiefe Wirkung einer über 30-jährigen Phase von Instabilität und Krieg sowie die Elendsjahre nach 1945. „Der Schock der Notzeit wirkte bis weit in das Wirtschaftswunder hinein. […] Die meisten Deutschen waren ganz auf die eigene Existenz zurückgeworfen; man braucht nicht die Psychoanalyse zu bemühen und einen kollektiven Verdrängungsakt zu konstruieren, wenn man sich damals einfach nur nach [einer Zeit sehnte], in der man nicht zu hungern brauchte, und im übrigen über das vergangene Böse schwieg.“1 „Die Rückkehr zu einem ganz normalen Leben: Davon träumten viele Menschen in der frühen Nachkriegszeit.“2

Damit einher ging eine steigende Wahl-Dominanz der Groß-Parteien mit ihrer nun demokratisch-konservativen Agenda. So entfernte sich SPD seit Anfang der 1950erJahre systematisch von „revolutionären“ Forderungen und grenzte sich spätestens mit ihrem Godesberger Programm (1959) deutlich nach links ab. Und im Gegensatz zu ihren Vorgängern in der Weimarer Republik unterstützten die Unionsparteien (CDU / CSU) die parlamentarische Demokratie.

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