The Lord of the Rings, Schrödinger-Vergewaltiger und Feminismus – Resumee


Quelle: http://www.eng-forum.com

Am gestrigen Abend hatten wir uns entschlossen beim Post

Die neue Religion nur für Männer: „The holy commandments for men“ by Jörg Rings

die Kommentarfunktion auszuschalten. Eine sachliche Diskussion zum Thema war nicht mehr möglich.

Hier nun eine Zusammenfassung die den diskutierten Sachverhalt aus unserer Sicht darstellen soll.

  1. Das Verhalten des Typs im Aufzug war „nerdy“ und Watson hatte das Recht  klarzustellen, dass sie sich in der Situation unwohl fühlte. Sie hätte das Verhalten problemlos als Beispiel dafür anführen können wie Mann es nicht machen sollte. Das Problem: Ihre Anwürfe waren viel weitergehender und die Geschichte wurde als Beispiel für die sexuelle Diskriminierung der Frauen hochstilisiert.
  2. Unabhängig von seinen Motiven ist der viel weitergehende Vorwurf der „Sexualisierung“ durch die Fakten nicht gedeckt. Wir können nicht ohne Weiteres dem „elevator guy“ böse Absichten unterstellen, selbst wenn sein Verhalten „sozial unkalibriert“ war. Sexualisierung ist z.B. ein Stieren in den Ausschnitt, ein rüdes Anquatschen oder begrapschen – kurz: sexuelle Belästigung. Der „elevator guy“ gebrauchte dagegen nur höfliche Worte. Ein „ich finde Dich interessant, möchtest Du mit mir auf meinem Zimmer einen Kaffee trinken?“ ist keine sexuelle Diskriminierung. Er hat ihre Ablehnung akzeptiert, das Gespräch dauerte vermutlich keine Minute, und danach ging jeder seiner Wege.
  3. Dawkins hat in seiner Polemik verdeutlicht was Sexualisierung bedeutet indem er das unglückliche Beispiel mit der Muslima wählte um klarzumachen, dass Watson mit ihrem Vorwurf der Sexualisierung zu weit geht. Vernünftiger wäre es gewesen, hätte er Beispiele sexueller Belästigung (Begrapschen, Aufforderung zum Sex o.ä.) als Beispiele angeführt.
  4. Sehr problematisch ist der generalisierende Appell an die Männer: „guys, don’t do this… sexualizing me“. Dies impliziert gerade das Vorurteil, dass ein hoher Anteil von Männern nichts anderes im Sinn habe  als Frauen zu Sexobjekten zu reduzieren. Es gibt natürlich genügend Arschlöcher, die das tun aber der generalisierende Appell an *die* Männer ist daneben. Das wäre so wie wenn ein Farbiger in der Nacht höflich eine weiße Frau anspräche und diese dann einen Tag später an die Schwarzen den Appell richtet: „Liebe Farbige, quatscht keine Weißen von der Seite an.“
  5. Noch eine Größenordnung Hysterischer ist das, was Jörg Rings aus der Geschichte gemacht hat. Er nahm Dawkins „Troll-Kommentar“ und das, was Watson im Aufzug passierte, zum Anlass, die absurde These in den Raum zu stellen, die Opfer sexueller Gewalt (in welcher Hinsicht war Watson eigentlich ein Opfer?) würden zu Tätern gemacht, und: „Wir leben in einer Vergewaltigungskultur, in der Opfer gerne zum Täter gemacht werden, in der die Dunkelquote enorm hoch ist, in der die Tat durch Männlichkeits-Entschuldigungen verharmlost wird, in der ein Erzählstrang von Vergewaltigungen erwartet wird der niemals erfüllt wird , in der Vergewaltigungswitzchen die Täter schützen. Aber Gewalt gegen Frauen ist real…“

Wer so was schreibt, desavouiert sich intellektuell vollkommen. Erstens wurde Watson kein Opfer sexueller Gewalt. Zweitens gibt Dawkins Kommentar die These nicht her, dass er die Opfer sexueller Gewalt zu Tätern mache. Drittens ist Vergewaltigung nicht Bestandteil unserer rechtsstaatlichen Kultur, sondern von Unkultur. „Vergewaltigungskultur“ ist das, was Frauen im Kosovokrieg in Sobibor etc. angetan wurde und nicht das Ansprechen von Frauen in Aufzügen wenn gesagt wird: „Ich finde Dich interessant, möchtest Du mit mir auf meinem Zimmer einen Kaffee trinken?“. Selbstverständlich ist dieses Verhalten unsensibel gegenüber Frauen, völlig d’accord. Alles, was über diese Feststellung hinausgeht, ist jedoch gequirlter Rhabarber.

Viertens ist der Begriff vom „Schrödinger-Vergewaltiger“ inakzeptabel. Mir ist zwar klar was Rings damit sagen wollte: Frauen können nicht wissen welcher Mann ein potenzieller Vergewaltiger ist – daher sollte man eine solche Anmache im Fahrstuhl des Nachts unterlassen. Diese These ist konsensfähig und es hätte genügt das so klarzustellen. Aber einen Begriff in die Debatte zu werfen, der den Punkt mehr vernebelt als Klarheit schafft, zeugt nicht gerade von besonderer Stringenz. Der Begriff  „Schrödinger-Vergewaltiger“ impliziert etwas völlig anderes, weil er sich an das philosophische Problem von „Schrödingers Katze“ anlehnt. Auf unser Beispiel übertragen würde es bedeuten, dass Männer dazu veranlagt sind Frauen zu vergewaltigen und nur der quantenstatistische Zufall entscheidet darüber wer wann und in welcher Situation eine Frau vergewaltigt. Dass ausgerechnet ein Naturwissenschaftler nicht weiß, was es mit dem Problem von „Schrödingers Katze“ auf sich hat, ist schon einigermaßen verwirrend. Und überhaupt – wo kommen wir hin, wenn wir allen Menschen Eigenschaften wie „Schrödinger-Mörder“, „Schrödinger-Kinderschänder“, „Schrödinger-Psychopath“ oder „Schrödinger-Männerhasser“ an den Hals hängen? Von einem intelligenten Menschen erwartet man, dass er auch die absurden Konsequenzen im Blick hat, die seine Argumentation nach sich zögen.

Insbesondere wirkt es reichlich albern wenn Jörg Rings allen Ernstes versucht einen Verhaltenskodex für Männer zu erstellen indem er dazu aufruft alles zu unterlassen wodurch sich Frauen *möglicherweise* unwohl fühlen könnten. Der Gipfel der Ironie war ja der Ratschlag, man möge des Nachts die Straßenseite wechseln wenn einem eine Frau begegnet und seine affektiert-überhebliche Anmache von Menschen, die das anders sehen (Bezeichnungen wie „hirnlos“ oder „Trollifranz“ gehören für Rings ja eher noch zu den harmloseren Zustandsbeschreibungen). Wie absurd diese Argumentation ist, vermag ein Beispiel zu verdeutlichen: Wenn ich als Mann nachts von der S-Bahn nach Hause gehe und mir kommt ein 2-Meter-Mann entgegen, dann fühle ich mich möglicherweise dabei unwohl, habe aber nicht das Recht an diesen zu appellieren, er solle doch die Straßenseite wechseln oder einen anderen Weg wählen. Ich kann mich zwar für den Eventualfall rüsten (z.B. Reizgas mitnehmen oder nachts nur noch in Gesellschaft ausgehen) aber nicht von anderen verlangen, sie sollen ihr Verhalten meiner Paranoia anpassen.

Gegenstand der Satire war genau dieser hysterische, überzogene und faktisch vollkommen unangemessene Beitrag von Jörg Rings. Einige der Probleme in seiner Argumentation wurden soeben dargelegt. Gemessen an seiner aggressiven Art mit anderen umzuspringen, die seine Meinung nicht teilen (z.B. findet man auf Twitter den netten Begriff  „misogyne Arschlöcher“, während er sich  selbst nun künstlich über den Begriff „hirnloses Arschloch“ aufregt und in seinem Blog mehrfach Ausdrücke aus der Fäkalsprache wie „menschenverachtende Scheiße“, „Richard Dawkins ist ein Arschloch“ u.ä.) gebraucht, ist  der Ton in der Satire ist dagegen seeeeehr moderat und ich kann beim besten Willen nicht verstehen, was intelligente Menschen dazu bringt, sich nun darüber zu entrüsten und dem gequirlten Rhabarber, den Rings absondert, vorbehaltlos zuzustimmen. Es mögen ja vernünftige Thesen darunter sein, über die man reden kann. Das oben genannte gehört definitiv nicht dazu.