„Fundamentalisten gewinnen in der evangelischen Kirche immer mehr Einfluss“


Nicht nur in den USA, sondern auch unter deutschen Protestanten werden wortgläubige Konservative mächtiger, warnt der Wissenschaftsjournalist Martin Urban.

Interview von Markus C. Schulte von Drach | Süddeutsche.de

Viele Menschen in unserer Gesellschaft haben Angst vor dem Einfluss von Islamisten. Andere warnen vor Evangelikalen in der US-Politik. Der Physiker und Wissenschaftsjournalist Martin Urban warnt in seinem neuen Buch vor einer weiteren, bedenklichen Entwicklung. Es geht um die deutsche evangelische Kirche, die im kommenden Jahr 500 Jahre Reformation feiert.

SZ: Sie sehen einen zunehmenden Fundamentalismus in der evangelischen Kirche in Deutschland. Woher rührt Ihre Sorge?

Martin Urban: Die Fundamentalisten gewinnen innerhalb der evangelischen Kirche immer mehr an Einfluss. Mit Fundamentalisten meine ich jene, die die Bibel wörtlich nehmen und deshalb zum Beispiel die Homosexualität und die Evolutionstheorie ablehnen oder die Prügelstrafe für Kinder für richtig halten.

Die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) und evangelische Theologen haben sich in diesen Fragen doch wiederholt relativ liberal gezeigt.

Es findet ein heimlicher Kampf um die Vorherrschaft statt zwischen den aufgeklärten Liberalen in der EKD und den Fundamentalisten. Die Fundamentalisten schaffen es zunehmend auf hohe Posten wie Bischofsstühle. Neben den traditionell Konservativen wie in Bayern und in Württemberg wurde jüngst in Sachsen erstmals ein bekennender Evangelikaler zum Landesbischof gewählt. Mit Michael Diener, dem Vorsitzenden der Evangelischen Allianz – dem Dachverband der Evangelikalen – sitzt seit letztem Jahr ein Fundamentalist sogar im Rat der EKD. Der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, der ihn dort hin brachte, sagt, er erwarte sich viel von den Evangelikalen.

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