Kant ist tot


Kant 1791 nach dem Berliner Maler Gottlieb Doebler ursprünglich in der Freimaurerloge Zum Todtenkopf und Phoenix in Königsberg, hier die zweite Ausführung für Johann Gottfried Kiesewetter. Bild: wikimedia.org/PD
Die Deutschen lieben Immanuel Kant. Ob es um Abtreibungen geht, um Terrorabwehr, um Freiheit oder um Datenschutz – in moralischen Debatten wird das Werk des genialen Königsbergers auch nach über 200 Jahren noch zur Anwendung gebracht.

Von Walter Stindt | Richard-Dawkins-Foundation

Das könnte einfach an einer Form von Nationalstolz liegen, dass gerade die Deutschen einen deutschen Philosophen hochjubeln. Vielleicht ist es auch die überzeugende Argumentation, mit denen Kant seine Ethik abhandelt. Oder einfach nur der leichtere Zugang zu Texten in der eigenen Muttersprache. (Wobei „leichter“ bei Kants Satzbau ein relativer Begriff ist.)

Was auch immer der Grund sein mag, besteht ein recht erhebliches Problem: Kantsche Ethik liegt schlichtweg und objektiv belegbar falsch. Vor allem das zentrale Konzept, der Kategorisches Imperative, gehört nicht nur in die Liste der großen Errungenschaften der Philosophie. Er sollte auch endlich in die Annalen der Ethik eingehen als einer der Ansätze, die durch die Naturwissenschaften eindeutig widerlegt wurden.

Der Kategorische Imperativ ist ein gescheitertes Konzept, unrettbar verloren gegenüber modernen Forschungsergebnisse, weil er von Annahmen über das menschliche Handeln ausgeht, die schlichtweg falsch sind. Da kann man nichts machen, dieser Tatsache muss man sich einfach stellen.

Was war noch mal der Kategorische Imperativ?

Der Kategorische Imperativ (halb Deutsch, halb Latein für „die immer zu befolgende Aufforderung“) entspringt einem Konzept in der Moralphilosophie. Dies ist die sogenannte Universalisierbarkeit. Salopp formuliert haben wir die Universalisierbarkeit alle als Kinder kennengelernt. Es ist der berühmte Satz: „Wenn das alle täten…“

Dieser Ansatz entspricht deutlich unserer moralischen Intuition. Der Philosoph fragt dann aber genauer nach. Was bedeutet „das“ und was bedeutet „tun“? Denn ohne weiteres funktioniert dieser Ansatz ja nicht. Man denke an die Idee: Ich möchte heute Abend auf der Lessingbrücke den Sonnenuntergang betrachten. Wenn alle Leute heute Abend sich irgendwie auf die Lessingbrücke quetschen, wird sie unter dem Gewicht der Millionen zusammenbrechen.

Das Prinzip lässt sich jedoch leicht retten, wenn man die Handlung genügend verallgemeinert. Vielleicht sollte sich nicht die gesamte Menschheit abends auf eine einzige Brücke türmen. Aber wenn jeder seinen Abend nach seinen Wünschen verbringen darf, solange er damit niemand anderem schadet, dann ist das ein allgemeines Prinzip, dem tatsächlich alle folgen könnten.

Das Prinzip der Universalisierung muss also im Detail etwas systematischer ausgearbeitet werden. Und Immanuel Kant geht dies mit dem Kategorischen Imperativ an. Dieser lautet im Wortsinne: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Tatsächlich führt Kant einige weitere Formulierungen auf, aber diese soll vorerst genügen. Sie ist kompliziert genug.)

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