Ägypten: Lieber Diktatoren als gewählte Islamisten


Die Diskussion bei Intelligence Squared in New York am 4. Oktober 2012.

Wer ist schlimmer, Präsident Mohammed Mursi, der gewählte Islamist, der danach strebt in Ägypten das islamische Recht anzuwenden, oder Präsident Hosni Mubarak, der ehemalige Diktator, der ausgebootet wurde, weil der eine Dynastie starten wollte?

Von Daniel Pipesdanielpipes.org

Weiter gefasst: Wird eine liberale, demokratische Ordnung eher unter der Herrschaft islamischer Ideologen entstehen, die mit Hilfe der Wahlurne an der Macht bleiben oder mit habgierigen Diktatoren ohne eine konkrete Agenda, die über das eigene Überleben und die Macht hinaus geht?

Morsis neuestes Handeln bietet eine Antwort, denn es weist nach, dass Islamisten noch schlimmer sind als Diktatoren

Das Thema kam Anfang Oktober in einer interessanten Diskussion für Intelligence Squared U.S. auf, als Reuel Marc Gerecht von der Foundation for the Defense of Democracies und Brian Katulis vom Center for American Progress für „Lieber gewählte Islamisten als Diktatoren“ argumentierten, während Zuhdi Jasser vom American Islamic Forum for Democracy und ich für das Gegenteil eintraten. Nun, niemand argumentiert wirklich „für“ jemanden. Das andere Team begrüßte die Islamisten nicht, wir feierten mit Sicherheit nicht die Diktatoren. Die Frage war eher, welche Art Herrscher das geringer der beiden Übel ist und in Richtung Demokratie geprügelt werden kann.

Katulis machte Diktaturen dafür verantwortlich „die Art von Ideologien“ zu nähren, die zu 9/11 führten und Gerecht bestand darauf, dass Militärjuntas, nicht Islamisten, allgemein „die wahre Gefahr sind… Der einzige Weg eine liberalere Ordnung im Nahen Osten zu bekommen, führt über Menschen mit Glauben“, die Islamisten ins Amt wählen. Katulis argumentierte, dass gewählte Islamisten sich ändern und wandeln, weniger ideologisch und praktischer werden; sie entwickeln sich in Reaktion auf die raue und sich überschlagende Politik, um sich auf „Grundbedürfnisse“ wie Sicherheit und Arbeitsplätze zu konzentrieren.

Präsident Mohammed Morsi trifft im September 2012 die australische Premierministerin Julie Gillard.

Im Irak behauptete Gerecht festzustellen zu können, dass „eine Flutwelle an Menschen, die einst Hardcore-Islamisten waren … ziemlich fundierte Demokraten, wenn nicht gar Liberale geworden sind“. Was Ägypten angeht, stellte er anerkennend, aber falsch fest: „Die Muslimbruderschaft hat ernste interne Diskussionen, weil sie nicht herausgefunden hat, wie sie mit [ihrem Erfolg] umgehen soll. Das wollen wir. Wir wollen, dass sie es herausfinden.“

Jasser und ich antworteten auf diese Liste an Ungenauigkeiten (Militärjuntas führten zum 9/11?) und Wunschdenken (Wahre Gläubige werden bezüglich ihrer Ziele Zugeständnisse machen? Eine Flutwelle iransicher Islamisten wurde zu Liberalen?), indem wir erstens feststellten, dass Ideologen „Diktatoren auf Steroiden“ sind, die sich nach Erreichen der Macht nicht mäßigen, sondern eingraben, Fundamente bauen, um unbefristet im Amt zu bleiben. Zweitens vernachlässigen Ideologen genau die Dinge, die unsere Kontrahenten betonten – Sicherheit und Arbeitsplätze – zugunsten der Einführung der islamischen Gesetze. Habgierige Diktatoren haben im Gegensatz dazu – wegen Mangel an Ideologie und Vision – keine Vision für die Gesellschaft und können daher überzeugt werden sich in Richtung wirtschaftlicher Entwicklung, persönlicher Freiheiten, einen offenen politischen Prozess und Rechtsstaatlichkeit zu entwickeln (ein Beispiel ist Südkorea).

Und siehe da, Morsi und die Muslimbruderschaft sind exakt unserem Script gefolgt. Seit er im August die Macht übernahm, hat Morsi (1) das Militär kaltgestellt, sich dann auf das Eingraben konzentriert und die Vorherrschaft ausgebaut, am auffälligsten durch die Ausgabe einer Reihe von Anordnungen am 22. November, mit der sich der Präsident widerrechtlich autokratische Macht aneignete und zionistische Verschwörungstheorien über seine Gegner verbreitete. Dann rammte er (2) am 30. November eine islamistisch orientierte Verfassung durch und setzte eine schnelle Volksabstimmung darüber für den 15. Dezember an. Von diesen beiden Aufgaben aufgefressen, ignorierte er praktisch die Unzahl an Problemen, von denen Ägypten heimgesucht ist, insbesondere die drohende Wirtschaftskrise und das Fehlen von Geldern, um die importierten Lebensmittel zu bezahlen.

Der Preis von Butangas ist seit Morsis Amtsantritt um mehr als das Zweifache gestiegen.

Morsis Machtergreifung regte antiislamistische Ägypter an, sich als „Nationale Rettungsfront“ zusammenzuschließen und sich den Islamisten in den gewalttätigsten Straßenkonflikten in sechs Jahrzehnten entgegenzustellen, was diese zwang die Anweisungen des 22. November teilweise zurückzunehmen. Nachdem er im August das Militär geschickt kaltstellte, ließ Morsis Schuss über das Ziel hinaus ironischerweise die Generäle in die Position der ultimativen Autorität zurückkehren, so dass diese für oder gegen ihn intervenieren können. Damit, dass er Sympathisanten der Islamisten als höchste Offiziere auswählte und dem Militär in der vorgeschlagenen Verfassung erweiterte Privilegien anbot, hat er aller Wahrscheinlichkeit nach deren Unterstützung gewonnen. Als nächstes wird wahrscheinlich der Ausnahmezustand ausgerufen werden.

In nur drei Monaten hat Morsi gezeigt, dass er diktatorische Macht anstrebt, die größer ist als die Mubaraks und dass diese Herrschaft für Ägypten sogar ein größeres Verhängnis andeutet, als es die Mubaraks war. Er hat Jassers und meinen Standpunkt sauber bestätigt: Lieber Diktatoren als gewählte Islamisten. In der Diskussion stellte ich fest: Westler sollten die Tür für ideologische Diktatoren wie Islamisten fest zuschlagen, während sie habgierige Diktatoren unter Druck setzen sollten eine Zivilgesellschaft zu ermöglichen. Das bietet den einzigen Ausweg aus der falschen Alternative zweier Formen der Tyrannei.

Übersetzung: H. Eiteneier